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Wie du lernst dein ganzes Hirn zu nutzen

 

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Der heutige Beitrag sprengt ein wenig den üblichen Rahmen. Er ist nämlich ein Hybrid aus Buchrezension und Blog. Deswegen habe ich mich auch entschieden ihn hier reinzustellen, und nicht zu den sonstigen Buchempfehlungen. Es geht um Jill Bolte Taylors Buch "Whole Brain Living" und welche bedeutenden Erkenntnisse es für dich und dein Leben bringt.

 

Mittlerweile gibt es auch eine deutsche Version des Buches, deshalb werde ich dir hier den Link dieser Version anbieten. Doch darüber hinaus gibt es noch viel mehr über die Autorin zu erzählen.

 

Ein Schlaganfall als Geschenk

 

Dr. Jill Bolte Taylor war Hirnforscherin als sie 1996 genau das Organ, das sie bereits ihr Leben lang untersacht hatte, in Form eines Schlaganfalls in Stich ließ. Interessanterweise betraf die Blutung ihres Gehirns "nur" ihre linke Gehirnhälfte, und so konnte sie schrittweise miterleben, wie sie sämtliche Fähigkeiten verlor, die sie benötigte, um zu wissen, wer sie war, bzw. das Leben im Alltag zu bewältigen.

 

Sie bezeichnet ihren Zustand damals als den eines Embryos im Körper einer Erwachsenen. Mehr dazu kannst du dir von ihr selbst erzählen lassen, in ihrem TED Talk aus dem Jahr 2008:

 


 

Dieses Erlebnis prägte sie so nachhaltig, dass es sie nicht mehr losließ. Sie schrieb nicht nur ihr erstes Buch darüber, sondern versuchte sogar, ihre Erkenntnisse in ihre Forschung einfließen zu lassen. Das Ergebnis ist ihr neues Buch, das uns dabei helfen soll, endlich unser ganzes Hirn zu nutzen, damit wir glücklicher und ausgeglichener durchs Leben gehen.

 

"Dein Frieden ist nur einen Gedanken entfernt."

 

Dualität, Ego und die linke Gehirnhälfte

 

Was ich so faszinierend an diesem Werk finde, ist der Umstand, dass Bolte Taylor die erste ist, die simple, empirische Belege für das Vorhandensein und die Funktionsweise unseres Egos vorweisen kann.

 

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Es beginnt bereits bei der Tatsache, dass wir zwei Gehirnhemisphären besitzen, die einander nicht nur in Vielem widersprechen, sondern einander sogar gegenseitig hemmen können.

 

Doch während wir in einer Welt leben, die so tut, als gäbe es nur die linke Gehirnhemisphäre, haben wir aber nicht umsonst zwei Hälften, die beide wichtige Funktionen für unsere Existenz aufweisen.

 

So können wir unsere Denkweise der Dualität oder auch den inneren Konflikt einander widersprechender Emotionen verstehen, wenn wir wissen, dass diese Sichtweise ein Spiegel unserer Gehirnanatomie ist.

 

Sogar unser Ego lässt sich lokalisieren. Und zwar als emotionaler Teil unserer linken Hemisphäre. Doch gleich mehr dazu.

 

Ein Reiseführer durchs Gehirn

 

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Zuerst gibt es da einmal unser sogenanntes Stamm- oder auch Reptilienhirn. Viele automatische Funktionen und Regulationssysteme laufen in diesem Bereich ab. Auch unsere Grundbedürfnisse werden auf diese Weise aktiviert. Du bist so lange hungrig, bis du gegessen hast, oder du bist so lange müde, bis du genügend geschlafen hast.

 

Darauf aufbauend gibt es das limbische System, das allen Säugetieren dazu verhilft, emotionale Reaktionen zu zeigen. Was aber oft untergeht ist, dass wir zwei emotionale Zentren haben, die jeweils unterschiedlich reagieren.

 

Was Menschen so einzigartig macht, ist aber erst die Großhirnrinde, oder auch Cortex genannt. Somit können wir sagen, dass wir fühlende Wesen sind, die auch denken können, und nicht umgekehrt.

 

Doch auch hier gibt es zwei verschiedene Denkzentren, je nach Gehirnhälfte, was immer wieder übersehen wird. So spiegelt der klassische Konflikt zwischen Herz und Hirn auch jene unterschiedlichen Perspektiven unserer Großhirnrinden wider.

 

 

Die 4 Charaktere

 

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Du kannst tatsächlich davon ausgehen, dass wir alle vier verschiedene Persönlichkeiten in unseren Gehirn beherbergen. Jeweils zwei emotionale und zwei denkende. Und bei jedem Menschen können andere dieser Charaktere, wie sie Bolte Taylor nennt, dominieren.

 

Charakter 1: Links-Hirn-Denken (Serieller Prozessor)

 

Dein linksseitiges Denkzentrum denkt linear, ist auf äußere Reize fixiert, orientiert sich an der Zeit und ist von Zielen getrieben. Es bedient sich der Sprache, sieht sich als Individuum, bewertet, differenziert, denkt in Strukturen und legt viel Wert auf Wettbewerb, Ordnung und Details. Auf diese Weise legt es sich auch eine Sicht auf die Welt zurecht.

 

Charakter 2: Links-Hirn-Emotionen 

 

Dein linksseitiges Emotionszentrum vergleicht ständig die Gegenwart mit der Vergangenheit, um mögliche Gefahrenquellen zu orten. Und nachdem es sich nicht verbunden fühlt mit dem Ganzen, empfindet es dementsprechend häufig Stress, schwankt zwischen positiven und negativen Emotionen, sieht die Welt sehr pessimistisch, und ist angstgesteuert. Das heißt, es funktioniert nach dem klassischen Flucht-Angriffs-oder Erstarrungs-Modus.

 

Charakter 3: Rechts-Hirn-Emotionen

 

Dein rechtsseitiges Emotionszentrum ist so ziemlich das Gegenteil seines linken Zwillings. Es ist immer in der Gegenwart, so wie kleine Kinder, immer neugierig, im Flow, will immer erforschen, ist gut im Interpretieren von Körpersprache und selbst sehr körperbezogen. Es sieht eher Möglichkeiten und ist der Ort unserer Dankbarkeit und Freude am Leben.

 

Charakter 4: Rechts-Hirn-Denken (Paralleler Prozessor)

 

Dein rechtsseitiges Denkhirn ist immer mit allem verbunden, es ist der Ort deines Bewusstseins, der Zugang zu Inspiration und Intuition. Es kennt keine Begrenzung, ist für alles offen, und kann alles annehmen. Tiefer Frieden und Loslassen finden sich genauso dort, wie der Zustand von Erleuchtung.

 

Wie du siehst, gibt es ein großes Missverhältnis bei den meisten Menschen, im Gebrauch ihrer Gehirnhälften. Man könnte fast meinen, wir werden ein Leben lang darauf trainiert, nur die linke Seite unseres Gehirns zu benutzen. Denn sowohl Schule, Wirtschaft, und vor allem Politik halten strikt an der Individualität, dem Wettbewerb, Recht und Ordnung, und dem Mangel als Wirtschaftsprinzip fest.

 

Was kannst du nun tun, um dein gesamtes Gehirn besser und jederzeit für dich zu nutzen? 

 

 

Brain-Huddle

 

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Das Wort "huddle" bezeichnet die Spielerversammlung im American Football, um wichtige Strategien und Spielzüge während des Spiels zu besprechen. Und genau das ist es auch, was uns Bolte Taylor für unser Gehirn empfiehlt.

 

Doch bevor wir in den Brain Huddle gehen können, ist es wichtig, die 90-Sekunden-Regel zu beachten. Wirst du nämlich getriggert und Adrenalin rauscht durch deinen Organismus, dauert es ungefähr genausolang, bis du dich wieder beruhigt hast. D.h. je größer der Affekt, desto wichtiger ist es für dich, diese Emotionen durch dich fließen zu lassen, ohne zu reagieren.

 

Denn wenn wir das nicht tun, kann es passieren, dass wir Dinge tun, die wir später bereuen, oder uns in Emotionen flüchten, die einen Loop starten, der nicht nur 90 Sekunden, sondern womöglich 90 Minuten, Stunden oder gar Jahre dauern kann.

 

Das Großartige am Brain Huddle ist, dass alle vier Charaktere in deinem Hirn gehört werden, bevor du entscheidest, wie es weitergeht. Um dir besser zu merken, welche Phasen es dabei gibt, erfand Bolte Taylor das Akronym B-R-A-I-N.

 


 

Die bewusste Wahl

 

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Verstehen wir für uns selbst, welche enormen Möglichkeiten wir bereits alle besitzen, sind wir bereit Verantwortung dafür zu übernehmen, stetig die Kommunikation in unserem Gehirn zu verbessern. Denn Potentialentfaltung findet immer in der Vernetzung unserer Gehirnareale und Nervenzellen statt.

 

Ich finde es eine unglaubliche Erkenntnis, dass wir bereits auch auf physischer Ebene feststellen können, dass wir alle ausnahmslos zu so viel mehr fähig sind, als uns zu sorgen, Angst zu haben, oder zu leiden.

 

Die Frage, die wir uns alle stellen sollten, lautet: "Will ich wirklich nur mein halbes Hirn nutzen?"

 

Es ist doch wunderbar, zu wissen, dass wir unser bewusstes Denken aktiv mit unseren darunterliegenden Emotionen verbinden können. Genauso können wir unsere beiden emotionalen Zentren so kommunizieren lassen, dass sie voneinander profitieren können. Und zu guter Letzt ist es auch unsere Aufgabe, unsere beiden Denkhirne zu verbinden, für unser Wohl, und für eine bessere Welt.

 

Und ist es nicht unheimlich beruhigend, dass du keinen Guru brauchst, der dir Erleuchtung bringt, weil du bereits dein rechtes Denk-Hirn besitzt, dass nur darauf wartet, dass du ihm die Chance gibst, dir Frieden zu bringen?

 

Das, was ich hier beschrieben habe, ist nur ein Bruchteil dessen, was das Buch selbst vermittelt. Doch ich hoffe, dass ich dich neugierig machen konnte, darauf, dich auf diesen Zugang einzulassen. Am besten du überzeugst dich selbst, indem du dir das Buch kaufst. Hier geht es zur Rezension mit dem Kauflink: Zur Rezension...

 

   

Ich wünsche dir, dass schon die Ideen, die ich hier beschrieben habe, dazu beitragen, dich selbst und dein Leben völlig anders zu sehen. Wir sind viel größere Wunder, als wir alle ahnen. Und Gott sei Dank gibt es auch immer mehr Forscher, die uns dabei helfen, zu entdecken, wie wir das werden können, was wir immer schon waren. 

 

In Liebe,

 

dein Wolfgang

 

PS: Als sich die Band Stealers Wheel auflöste, schrieb Gerry Rafferty 1978 den Song "Baker Street", weil er ständig zwischen London und Glasgow wegen Rechtsstreitigkeiten hin und her pendelte und dabei in der Station Baker Street ausstieg. Schon allein diese Umstände zeigen auf, wie aus einer so unglücklichen Situation des Linkshirns, eine wunderbare Inspiration für ein Kunstwerk wie diesen Song im Rechtshirn entstehen kann. Dasselbe gilt für das unvergessliche Saxophon-Solo, das den Titel einmalig macht. Der Musiker, der es einspielte, war der Meinung, dass es furchtbar klingt, und völlig daneben sei. Was für eine Ironie. Und auch die Lyrics sprechen für sich. Denn am Ende deutet es doch darauf hin, dass der Protagonist vielleicht dort aufwacht, wo wir alle hin wollen...