
"Gönn' dir mal eine Pause!" oder "Jetzt hab' ich mir aber eine Pause verdient!"
Wer kennt diese Sprüche nicht. Und du wirst weit und breit niemanden finden, der sie nicht gut findet. Dabei offenbaren sie beide eine Seite unseres Alltags, der alles andere als erbaulich ist.
Heute nehme ich dich wieder einmal in ein Paralleluniversum mit, das genau dort stattfindet, wo alle anderen sind, aber dir einen völlig neuen Blick auf die Gestaltung deines Lebens bietet.
Natürlich werde ich dir jetzt nicht erzählen, dass du keine Pausen einlegen sollst. Au contraire, ma chere. Wenn ich zum Beispiel im Gym trainiere, um Muskeln aufzubauen, kann dies erst funktionieren, wenn ich zwischen den einzelnen Sets bzw. zwischen den Trainings Pausen einlege, um meinem Körper die Zeit zu geben, sich zu regenerieren, und neue Muskelzellen zu bilden.
Daher ist es natürlich ratsam, dass du deinen Tag so einteilst, dass er auch genügende Pausen enthält, um dich zu erholen. Nur wissen wir alle, dass es Umstände gibt, die sich nicht für deine Planung interessieren.
Wenn du z.B. Kinder hast, oder dein Arbeitstag mit Tätigkeiten zugepflastert ist, dann klafft schnell eine riesige Lücke zwischen den hehren Ansprüchen auf Balance und der erlebten Wirklichkeit.
Und selbst, wenn du es schaffst, Pausen einzuplanen, gibt es doch einige, die das Gefühl haben, dass sie das Angenehme der Auszeit, so gar nicht in den sonstigen getakteten Tag mitnehmen können.
So sehnen sie sich von einer Pause zur nächsten. Es gibt Kollegen an meiner Schule, die wissen fast auf die Stunde genau, wie lange es noch bis zu den nächsten Ferien dauert.
Du hast sicherlich schon gehört, dass du trinken sollst, bevor du durstig bist, weil das Bedürfnis nach Flüssigkeit bereits ein Warnsignal darstellt, das dir sagen soll, dass sich dein Körper bereits im Mangelzustand befindet.
Was soll ich dir sagen? Die Sache mit der Pause läuft ähnlich, oder vielleicht noch heftiger. Denn wenn du eine Auszeit brauchst, dann läuft nicht nur bereits einiges schief, sondern es könnte auch darauf hindeuten, dass du dich völlig der Angst deines Egos hingegeben hast.
Was Pausen mit Angst zu tun haben?
Ich werde es dir erklären. Wenn du der Gegenwart entkommen willst, ist es so, als würdest du zum Alkohol greifen, um deine Probleme mit dem Alkohol in den Griff zu bekommen.
Denn nur im Jetzt, als genau jetzt, kannst du in der Realität sein. Jeder Ausflug in die Vergangenheit oder Zukunft, ist bereits eine Illusion. Was ja nicht so problematisch klingt. Leider gibt es keinen Menschen, der, wenn er der Gegenwart entflieht, dabei auch in der Fülle der Liebe bleibt.
Das bedeutet, du driftest immer in den Mangel deines Egos ab, selbst wenn du schöne Erinnerungen teilst. Und dieser Zustand führt automatisch in die Angst, die nicht immer bedrohlich daherkommt. Doch kann sie dich schneller in Probleme stürzen, als du glaubst.
Das hat auch damit zu tun, dass wir schnell in die Abhängigkeit dieser Zustände geraten. Was wiederum zu noch mehr Mangel und noch mehr Bedürfnis nach mehr von dem, das uns nicht guttut, führt.
Das Resultat sind Menschen, die bereits vor Arbeitsbeginn auf die Uhr blicken, den Großteil ihres Tages innerlich ablehnen, und auf diese Weise fast ihr ganzes Leben versäumen, weil sie ständig nicht dort sein wollen, wo sie gerade sind.
Sie leben in der Illusion, dass die kurzen Dopaminkicks, die sie sich in ihren kurzen Pausen gönnen, wie Koffein, Zucker, Nikotin, Alkohol, oder alles zusammen, ihnen tatsächlich helfen.
Doch wie mag es dir gelingen, nicht auf die Uhr zu blicken, oder dich nicht nach der nächsten Pause, der Freizeit, dem Wochenende oder dem Urlaub zu sehnen?
Die erste hilfreiche Strategie liegt darin, alles, was du erlebst, anzunehmen, also auch wenn es dir nicht gut geht. Das Dilemma mit dem Mangel und der Angst besteht ja auch darin, dass wir sie vor allem dann vergrößern, wenn wir sie auch noch ablehnen, oder uns vor ihnen fürchten.
Also, einfach anzuerkennen, dass du frustriert bist, genervt, ängstlich, usw. ist bereits ein wunderbarer Schritt. Schwieriger wird es dann schon, diesen Zuständen liebevoll zu begegnen.
Das heißt in der Praxis, dass du dich darin übst, dich ständig selbst zu beobachten, und du dabei lernst, deine Zustände auch zu benennen, ohne sie gleich auch noch zu bewerten.
Denn wenn du dich darüber ärgerst, dass du dich ärgerst, dann hat das mit Bewusstsein nicht viel zu tun, und du kommst nie dazu dir selbst liebevoll zu begegnen.
Kannst du aber erkennen, was in dir vorgeht, indem du verstehst, dass all die Emotionen und Affekte zwar ein Teil von dir sind, aber nicht du, dann kannst du sie auch von außen betrachten, und auf diese Weise liebevoll und geduldig reagieren.
Was jetzt wie eine dissoziative Störung für dich klingen mag, wird sich nach einer gewissen Zeit nicht nur völlig normal anfühlen, sondern dir jene Gelassenheit bescheren, in schwierigen Situationen zunehmend bei dir - also im Moment - bleiben zu können.
Die zweite Strategie, die dir helfen soll, ergibt sich zwingend aus der ersten. Trotzdem ist es wichtig, dass dir klar ist, was da passiert.
Ich spreche von Gleichmut. Bereits letzte Woche in der "Macht der Wiederholung" habe ich dir erklärt, wie bedeutend es ist, das zu lieben, was ist.
Deine Fähigkeit präsent zu sein, führt unweigerlich dazu, dass du weniger bewertest, was dir widerfährt, weil du zunehmend lernst, alles anzunehmen, was das Leben dir so auftischt.
Beobachtest du dich dabei, wirst du schnell feststellen, dass eigentlich jede Tätigkeit dich in den Flow bringen, und deine Neugier und Wissbegierde entfachen kann.
Als ich z.B. heute meiner Tochter beim Lernen für Biologie geholfen habe, war es interessant festzustellen, was ich wusste und vor allem, was ich noch lernen konnte.
Und statt darüber nachzudenken, dass ich Besseres oder Wichtigeres zu tun hätte, war es die Verbindung mit Hannah und mit der Materie, die mir eine liebevolle Zeit bescherte.
Für mich ist es mittlerweile nicht mehr von Bedeutung, ob ich in der Arbeit bin oder zu Hause. Denn auch wenn dir vielleicht dein Ego gerade erzählen will, dass es doch nicht dasselbe sein kann, zu Hause bei meinen Liebsten zu sein, oder in der Schule, weiß dein Herz eigentlich genau, worauf ich hinaus will.
Mein Leben besteht im Prinzip nur aus Pausen, oder du könntest auch sagen, es hat keine Pausen mehr.
Mein ganzer Tag besteht aus Tätigkeiten und Ritualen, für die ich mich bewusst entscheide. Vieles von dem, was ich täglich tue, passiert unabhängig davon, welcher Tag oder Monat ist, weil ich es immer tue.
Selbst den Haushalt zu erledigen, oder heute noch Fenster zu putzen, verschaffen mir weder Sorgenfalten noch Stress oder das Bedürfnis, es hinter mich zu bringen. (Nur bei Schularbeiten ertappe ich mich nachwievor dabei, dem Moment entfliehen zu wollen;)
Auch du kannst, wenn du lernst, jeden Moment so bewusst wie möglich zu begehen, dich ständig zu beobachten, und das, was ist und wie es dir geht, liebevoll anzunehmen.
Auf diese Weise, wird auch dein Leben zu einer einzigen Pause. Und du brauchst weder eine Leckerli, noch eine Betäubung.
Ich wünsche dir viel Erfolg dabei, dein Leben in den Pausenmodus zu befördern. Wenn du Fragen hast, oder deine Erfahrungen teilen möchtest, hinterlasse einfach einen Kommentar unten, oder schreibe mir unter wolfgang.neigenfind@visionbord.com. Du kannst auch jederzeit gerne ein unverbindliches Gespräch mit mir vereinbaren, wo wir genauer über deine Situation sprechen können. Ich freue mich, von dir zu hören.
In Liebe,
dein Wolfgang
PS: 1999 entstand der Song "Drive" von Incubus, über den Sänger Brandon Boyd meint: "Es geht grundsätzlich um die Angst, darum von ihr dein ganzes Leben getrieben (im Engl. driven) zu sein und Entscheidungen aus der Angst heraus zu treffen. Der Song handelt von der Vorstellung, wie das Leben wäre, wenn wir nicht so lebten."
Dein Leben als Pause entspricht genau dieser Vorstellung.