
Wem vertraust du? Traust du dir selbst? Und wie steht es mit dem Leben?
Ich gehe davon aus, dass der überwiegende Teil der Menschheit tatsächlich vertrauend in die Welt kommt. Springen wir aber in der Biografie aller ein paar Jahre nach vorne, wirst du spätestens bei denen, die bereits erwachsen sind, kaum Personen finden, die dieses Vertrauen ins Leben noch eine Selbstverständlichkeit nennen können.
Darum kam es mir in den Sinn, mit dir darüber zu sprechen, wie wir uns wieder dieser bedingungslosen Zuversicht annähern können. Schließlich ist es doch das, wonach wir uns alle sehnen: Die Gewissheit, dass alles gut ist, dass es die Liebe ist, die letztlich bleibt. Für immer.
Wenn wir also unser Misstrauen wieder verlernen wollen, sollten wir uns vielleicht jener Dinge annehmen, die uns die Misere beschert haben.

Ich glaube, ich brauche dir nicht mehr erklären, dass wir im Grunde von der Etablierung unseres Egos sprechen. Doch viel interessanter ist für unser heutiges Ansinnen, jene Aspekte herauszuarbeiten, die uns wieder ins Vertrauen zurückführen, sofern dies überhaupt möglich ist.
Das Erste, das du tun kannst, ist all dem nachzugehen, das sich nicht nur falsch anfühlt, sondern auch bei genauerem Betrachten als unwahr herausstellt. Ich spreche von allen Ereignissen und Umständen in deinem Leben, die dir Unbehagen bereiten, oder die du nur widerwillig bis gar nicht akzeptieren kannst.
Solange du davon ausgehst, dass dein Leben ganz anders verlaufen sollte, als es das tut, solange misstraust du dem Universum, weil du davon ausgehst, dass da etwas schiefläuft.
Doch nur, weil du nicht das bekommst, was du willst, sondern was du brauchst, bedeutet das nicht, dass du dem Lauf der Dinge nicht vertrauen kannst.
Selbst wenn dieser tragisch verläuft, bedeutet das nicht, dass dies ein Grund ist, in das primitive Belohnungs- und Bestrafungsszenario unseres Egos zu kippen, das ohnehin immer nach einem Grund sucht, uns unglücklich zu halten.
Denn die Wirklichkeit, die es gilt, anzunehmen, passiert nicht in Kategorien von Falsch, Richtig, Gut, Böse oder Recht und Unrecht.
Schließlich kannst du das Vertrauen nur jenseits jenes Misstrauens finden, das dir erzählt, dass gewisse Erlebnisse unfair sind und dein Leben alles andere als erfüllend ist.
Somit ist die erste Spur des Vertrauens jene, die dich dazu aufruft, das, was ist, nicht mehr zu bewerten und dafür zu lernen, alles anzunehmen, was kommt.

Einmal im Jahr kreiert meine Partnerin ein Fotobuch mit Erinnerungen von allem, was wir erlebt haben. Das ist nicht nur viel Arbeit für sie, sondern auch wunderschön, weil wir uns alle über das Ergebnis freuen. Nur ist mir aufgefallen, dass ich immer, wenn ich die Fotos betrachte, das Gefühl nicht loswerde, dass ich das nicht wirklich bin, den ich da auf den Bildern erkenne.
Das hat damit zu tun, dass ja tatsächlich nur das Jetzt real sein kann. Momente auf einem Foto festzuhalten, hat somit etwas zutiefst Menschliches, weil es unser Dilemma widerspiegelt, zwar den Moment erleben zu wollen, ihn aber auch gleich auch festhalten zu wollen, obwohl er bereits vorbei ist.
Das ist der Grund, warum der Kurs in Wundern in einer seiner Lektionen davon spricht, dass wir nur die Vergangenheit sehen. Und wenn du darüber nachdenkst, warum du dich zu etwas oder jemandem hingezogen fühlst, du gewisse Dinge oder Personen magst, oder nicht, oder was du schön findest, dann hat das tatsächlich häufig mit dem zu tun, was wir aus der Vergangenheit wissen.
Leider führt dies auch dazu, dass wir aufgrund gewisser Erfahrungen lernen, Angst zu erleben, die wiederum in vielen Fällen zu einem grundlegenden Misstrauen der Welt gegenüber führt.
Dabei wissen wir alle, dass es genau jetzt kein Problem geben kann, selbst wenn wir uns in einer gefährlichen Situation befinden. Denn in dieser haben wir gar keine Zeit, unsere Lage zu beurteilen.
Doch wirst du angstgesteuerte Menschen fragen, warum sie sich so vor der Welt fürchten, werden sie dir tausend Gründe aufzählen, die sie alle aus ihrer Vergangenheit beziehen. Und das obwohl sie nicht mehr real ist.
Darum ist die zweite Spur des Vertrauens, das Gewahrsein im Jetzt, das nur das vorbehaltlose und neugierige Staunen kennt.

Wenn wir unser Ego entwickelt haben, das wir auch Identität nennen, und uns im Spiegel erkennen, ist die Trennung, unter der wir später so leiden, vollzogen.
Wir ahnen den Betrug bereits von Anfang an. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum wir uns nicht nur nach Verbindung sehnen, sondern auch versuchen, alles, was uns ein gutes Gefühl gibt, festzuhalten.
Und mit jeder neuen Identifikation, mit jedem weiteren Klammern schlittern wir tiefer in das Misstrauen und die Angst, die diese Trennung von allen anderen uns beschert.
Dabei gibt es eine Trennung, die Heilung verspricht, und zwar jene von allen Rollen, Überzeugungen und Identifikationen. Bereits das Hinterfragen alter Glaubenssätze verspricht Heilung.
Denn sobald wir damit aufhören, am inhärenten Misstrauen festzuhalten, dass all die Trennung hervorbringt, führt unser Weg unweigerlich ins Vertrauen.
Das dies begleitet ist vom spielerischen Moment, der nichts mehr wichtig nimmt, weil er um die Flüchtigkeit der physischen Welt weiß, ist die Ironie unserer Existenz. Denn so werden wir erst zu ernstzunehmenden Menschen, wenn wir beginnen, nichts mehr ernstzunehmen.
Somit ist die dritte Spur des Vertrauens das Loslassen von allem, das uns zwar vertraut erschien, aber nur dazu da war, uns von selbigem wegzulocken.

Betrachten wir die Gesellschaft in der wir leben, können wir schnell feststellen, dass sie sich auf eine Weise konstituiert, die nur ins Misstrauen führt.
Sie bewertet, ruft uns unentwegt zum Vergleich auf, sie begründet all ihr Handeln mit der Vergangenheit und der Zukunft, und sie möchte uns ständig in eine Identität zwingen, die schon vor Generationen überholt war.
Wagen wir aber die spirituelle Wende ins Bewusstsein, dann lernen wir Schritt für Schritt den Dualismus der materiellen Welt zu transzendieren, um das Leben anzunehmen, wie es ist, wir praktizieren Achtsamkeit so oft es uns möglich ist, um stetig im Augenblick zu bleiben, und wir entdecken unser aller Verbindung, um endlich unsere gemeinsame Bestimmung zu erleben.
Letztendlich ist die Reise jene, die wegführt vom Geist der Zeit zu jenem zeitlosen Selbst, das uns allen gemeinsam ist. Spürst du auch nur den Hauch dessen, was dieses Sein für dich und uns alle bedeuten kann, wirst du nicht mehr stehenbleiben auf deiner spirituellen Reise, sondern stetig weitermarschieren, selbst wenn du nicht weißt, ob du je dort ankommst, wohin sich deine Seele sehnt.
In Liebe,
dein Wolfgang
PS: Ich freue mich auf deine Kommentare, Mails oder sonstige Kontaktaufnahmen. Wenn du einen Wegbegleiter ins Vertrauen brauchst, dann bin ich gerne für dich da. Melde dich einfach bei mir für ein unverbindliches Gespräch.
PPS: Als der kleine Bruder des Leadsängers der US-Indie-Band The Fray eines Nachts in 2012 nicht schlafen konnte, und ihn deswegen um 4 Uhr morgens anrief, sang er ihm ein Schlaflied, das er am nächsten Tag in den Song "Be Still" verwandelte. Interessanterweise kam der Song einfach durch ihn und er wird eigentlich aus der Perspektive Gottes gesungen.
Noch interessanter wird es, wenn man bedenkt, dass es den berühmten Bibelpsalm gibt, der da lautet: "Be still and know that I am God", den ich immer wieder gerne in der Meditation benutze. Die Lyrics und das Lied sprechen für sich, und sie sind eine wunderbare Vertonung des Weges ins Vertrauen.