Gehörst du auch zu den Covidioten? Sorry, ich habe vergessen, dass wir ja alle Teil der großen Covidiokratie sind. Denn entweder du bist ein Leugner, oder ein Schlafschaf, oder schlicht ein Ignorant. Fest steht nur, dass du genug Menschen finden wirst, die dir deine uneingeschränkte Beschränktheit attestieren.
Somit muss ich mich auch nicht festlegen, welche Sorte von Dummbeutel ich denn bin. Ich war ja zumindest schon recht früh ein Fan des Vermummungsgebotes. Schon lange vor Corona. Das heißt nicht, dass ich mich hier als Michael Jackson Fan oute. Aber ich finde es war höchste Zeit, auch unsere Männer vor den lüsternen Blicken fremder Frauen zu schützen.
Apropos Michael Jackson: Jede Epoche hat ja so ihre typischen Symbole. So wie die 70er Jahre ihre praktischen Glockenhosen und geschmackvollen Farbenarrangements hatten, brachten die 80er stylische Langhaarfrisuren und geile Espandrilles hervor. Und jetzt haben wir originelle Masken und filmreife Lockdowns. Klingt fast ein wenig nach Zorro meets Rambo.
Mich würde ja interessieren, ob die Leute auch andere Symbole akzeptieren würden. Früher war ich da ja noch skeptisch. Aber mittlerweile würden wir wahrscheinlich auch rosa Schwänzchen als verordnetes Pflichtaccessoire tragen.
Das würde dann so ablaufen. Polizist trifft auf einen Passanten und fragt ihn: "Wo ist ihr Schwanz?" Worauf der Passant erwidert:"In meiner Hose." Daraufhin der Polizist: "Das geht aber nicht. Sie müssen ihn schon rausholen. Denken Sie bitte an die alten Menschen!"
Du hast recht. Das geht jetzt wirklich zu weit. Über den Tod macht man keine Scherze. Wo kommen wir denn da hin. Während ich so geschmacklos dahintippe, sterben tabellenweise die Menschen, und ich mache mich auch noch darüber lustig. Dabei habe ich nicht mal ein Clownsdoktordiplom.
Aber immerhin bin ich Überlebender. Ich habe das Virus heroisch niedergestreckt, naja, zumindest ausgelegen. Macht mich das nicht zum Zeitzeugen? Obwohl klüger bin ich jetzt auch nicht. Soll ich mich jetzt noch fürchten? Wie ist die korrekte Vorgangsweise als Genesener? Oder bin ich jetzt gar Experte?
Also, wenn ich rausgehe, ist es genau dasselbe wie vorher. Alle schlucken alles runter. Fressen brav alles in sich hinein, nicht nur die Schlafschafe, auch die schwarzen. Und wenn sie zuhause sind, kotzen sie sich aus. Man könnte fast meinen, dass wir es nicht mit einer Pandemie, sondern eher mit Bulimie zu tun haben.
Und auf die berühmte Frage Kants "Was soll ich tun?" gibt es nachwievor keine Antwort. Momentan haben wir ja eher das Problem, dass alle ihren Imperativ kategorisch in die Welt schreien.
Das Motto lautet bei vielen: "Bist du mit mir Bruder oder willst du Faust?" Zumindest dort, wo man ohne physischen Kontakt auf andere einprügeln kann. Seit Zeitgenossen wie Trump Facebook als virtuellen Kriegsschauplatz für sich entdeckt haben, gehört ja Anpöbeln wieder zum guten Ton, und das nicht nur im Internet.
Vielleicht hat das mit dem Abhandenkommen jeglicher Alltagslogik zu tun. Denk nur an das - nicht so mehr so absurde - Beispiel mit dem Ringelschwänzchen. Während du vor einiger Zeit noch Exhibitionist oder ähnliches sein musstest, um Aufsehen zu erregen, begibst du dich jetzt bereits in Teufels Küche, wenn du dich in der Nähe anderer Personen aufhältst, oder sie gar berührst. Eine Umarmung kommt mittlerweile fast einem tätlichen Angriff gleich.
Auch wenn es ja vielleicht recht hilfreich für uns wohlstandverwöhnten Hobos ist, zu wissen, wie sich Menschen im Iran oder in Afghanistan im Untergrund fühlen, weiß ich schon nicht mehr, was ich meinen Kindern nun sagen soll. Werden in ein paar Jahren unsere Kleinen schreiend davonlaufen, wenn ihnen ein Fremder die Hand reicht?
Verwirrt sind wir allemal. Nicht nur Ärzte, Immunologen und sonstige Menschen, die uns die postapokalyptische Weltordnung verklären. Doch es gibt auch ein Zusammenrücken im globalen Dorf. Menschen, die früher als Paranoiker oder Neurotiker, oder einfach seltsam abgestempelt wurden, finden jetzt gemütlich ihren Platz in unserer Mitte, in der wir uns alle misstrauisch beäugen.
Was macht nun ein naiver Träumer wie ich, in einer Welt, in der du schon aneckst, bevor du überhaupt den Mund aufmachst? Ich denke, Humor ist immer hilfreich, sogar gegen königliche Viren.
Außerdem regt sich der Mensch in mir, der sich denkt: "Wozu leben, wenn wir gar keines haben?" Deswegen werde ich ab jetzt mehr auf mein Herz achten. Das haben mir nämlich schon viele Ärzte empfohlen.
Mein Herz ist nämlich echt mutig, nicht so ein Schisser, wie meine Angst. Die macht sich vor Angst ja ständig in die Hose. Volle Hosen stinken mir. Ich nehme mal all meinen liebevollen Mut zusammen und nehme den einzigen roten Faden auf, der uns noch eint: Dass wir wollen, dass es uns allen gut geht.
Deswegen werde ich meinen Mundschutz rauf tun und wieder runter, und wieder rauf und wieder runter. Und ich werde mich über mich und dich und die ganze Welt lustig machen. Schließlich kann ich so eine Steilvorlage nicht einfach liegenlassen. Das wäre ja noch unhöflicher, als dir die Hand zu geben.
Ich werde dich auch ernst nehmen, unabhängig davon, ob du glaubst, dass wir maßlos übertreiben, mehr tun sollten, das Virus nur ein Testlauf von Amazon ist, du von Außerirdischen entführt wurdest, deine Religion Fußball ist, du eine Umarmung brauchst, oder mehr Abstand. Und ich werde dich und mich verarschen. Das ist zwar kein Social Distancing, aber meine Art, dir zu zeigen, wie wichtig du mir bist.
Ich werde dir gerne sagen, was ich denke, und höre mir gerne an, was du denkst. Und ich bin mir sicher, wir finden einen gemeinsamen Nenner. Selbst wenn der nur darin besteht, dass wir uns nicht einig sind. Du musst ja nicht gleich bei mir einziehen.
Von dir und von all denjenigen, denen wir Macht über uns einräumen, wünsche ich mir genau dasselbe. Mehr Mut und mehr Herz! Ich verstehe schon, dass alles so kompliziert ist. Aber, lieber Herr Bundeskanzler, niemand zwingt dich mit einer viral geladenen Spritze am Kopf, den Job zu machen, auch wenn es dich schon anzipft.
Einem werdenden Vater, der mit der werdenenden Mutter täglich verkehrt, auf alle nur erdenklichen Weisen, und das im selben Zuhause, zu verbieten, beim Ultraschall dabei zu sein, und auch bei der Geburt, ist für mich Kabarett, auf das nicht mal die schrägsten Comedians kommen.
Es sind ja nicht so sehr die unzähligen Erlässe und Bestimmungen, die die Leute an ihrem Hausverstand zweifeln lassen. Es ist die Art und Weise, wie damit umgegangen wird. Wenn mittlerweile ansonsten vernünftige Menschen, mehr Schiss vor Konsequenzen ihres Handelns haben, als vor irgendwelchen Krankheiten, oder gar beides zusammen, dann ist das eher eine Art der Wiederbetätigung, als mit ausgestreckter, rechter Hand auf einem Platz zu stehen.
Als ich an Covid erkrankt war, hatte ich drei Mal Besuch, von öffentlicher Seite. Nein, Arzt war keiner dabei. Es waren auschließlich Polizisten, die dazu angehalten wurden, zu kontrollieren, ob ich nicht mit 40 Grad Fieber durch die Weltgeschichte jette, um abzufeiern.
Was ich damit meine, ist, dass wir alle, gerade jetzt, mehr liebevolles Miteinander und Füreinander brauchen. Willst du Angst davor haben, deine Mutter oder Großmutter zu besuchen, oder umgekehrt? Ich nicht. Wir sind ja nicht bei Rotkäppchen.
Wie wäre es, wenn wir einander wieder näher kommen? Meinetwegen auch nur im Herzen. Alle sind wichtig, auch die Polizisten in ihren eindrucksvollen Uniformen, oder die Politiker, in ihren schönen Anzügen und Kostümen. Ich und alle anderen Menschen, sind aber genauso wichtig. Unabhängig davon, woher sie kommen, wie sie aussehen, was sie denken, oder was sie tun. Erlässe hin oder her.
Auch nur angedeutete Bedrohungen, Einschüchterungen, oder sonstiges aus dem Repertoire eines Angsthasen sind einfach nicht meine Sache. Du kannst dich von mir aus gerne weiterfürchten. Ich habe Besseres zu tun. Und ich hoffe du auch.
So, jetzt weißt du, warum ich ein Vollcovidiot bin. Fühlt sich übrigens gar nicht so übel an. Besser jedenfalls als Corona (ich weiß, unangebrachter Flachwitz!). Sorry, ich kann nicht anders. Das Leben der meisten ist einfach viel zu ernst, um es ernst zu nehmen.
Danke für deine Aufmerksamkeit. Ich höre mir auch gerne, deine Sicht der Dinge an. Du kannst mir gerne schreiben, unter wolfgang.neigenfind@visionbord.com. Ich freue mich darauf.
In Liebe,
dein Wolfgang
PS: Das heutige Video verkörpert genau das, was ich meine. Die Jungs der coolen, britischen Band "Nothing but Thieves" haben den Song in jeweils unterschiedlichem Zuhause live(!) eingespielt. Du siehst, du kannst kreativ mit der Situation umgehen. Der Text spricht ohnehin für sich: "Is Everybody Going Crazy?"