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Wer kümmert sich um dich?


Halte einmal kurz inne und lass diese Frage ruhig wirken und scheue dich auch nicht davor zurück alle Bilder zuzulassen, die sie in dir wachruft.


Heute möchte ich mit dir darüber sprechen, warum du selbst es bist, die sich am besten um dich kümmern kann, und wie du diese Selbstfürsorge liebevoll umsetzen kannst.



Der gemeinsame Nenner


Wenn du dich umsiehst und alle psychotherapeutischen Ansätze unter die Lupe nimmst, wirst du bald entdecken, dass sie alle ein wesentliches, gemeinsames Merkmal aufweisen: Sie alle gehen davon aus, dass du die Person bist, die den Schlüssel zu deinem Wohlbefinden besitzt.


So wie man niemanden dazu zwingen kann, seelisch zu heilen, so ist es auch nicht möglich, dass du nachhaltiges Wohlbefinden erlangst, ohne dein Zutun.


In diesem Zusammenhang ist auch oft von Selbstliebe die Rede. Doch viele probieren es zwar aus, sich selbst immer wieder ihre Liebe zu beteuern, scheitern aber langfristig daran, dass sie sich selbst die Botschaft nicht wirklich abkaufen.


Das liegt daran, dass sie nach dem Alles-Oder-Nichts-Prinzip davon ausgehen, dass sie sich selbst völlig lieben oder gar nicht. Nur ist die gelebte Realität in uns eine völlig andere.



Wir sind viele


Du hast sicherlich schon einmal vom Phänomen der multiplen Persönlichkeitsstörung gehört, die auch dissoziative Identitätsstörung genannt wird.


Diese Krankheit wird deswegen als psychisches Problem gehandelt, weil Betroffene davon berichten, dass sie bis zu 80 oder mehr verschiedene Persönlichkeiten entwickeln, in verschiedenen Facetten, Geschlechtern und auch Altersstufen, die teilweise voneinander wissen, aber die sogenannte "Gastgeberidentität", die auch die Umwelt kennt, die Rollenwechsel meist nicht bewusst erlebt, sondern als Blackout mit Gedächtnislücken, die oft über Tage hinweg gehen.


Was bei der Klassifizierung dieser Störung - meiner Meinung nach - übersehen wurde, ist der Umstand, dass wir alle ständig dissoziieren. Das ist einerseits von der Gesellschaft erwünscht, denke nur daran wie oft du in deine Gedanken abtauchst, ohne später zu wissen, wie du von A nach B gekommen bist, oder wie viele Rollen du im Laufe des Tages einnimmst, die sich teilweise tatsächlich wie unterschiedliche Identitäten anfühlen.


Bist du z.B. eine Mutter, wirst du das völlig anders empfinden, als wenn du wiederum als Tochter auftrittst. Oder wenn du vergleichst, wie du dich fühlst, wenn du in einer Sache Expertenwissen besitzt oder dich als völliger Neuling erst mit einer Materie vertraut machen musst.



Teile des Ganzen


Außerdem haben wir alle verschiedene Anteile in uns, die - ähnlich wie bei der oben erwähnten dissoziativen Identitätsstörung - sehr unterschiedlich und teilweise sogar widersprüchlich oder gegensätzlich sein können.


Es gibt seit Stefanie Stahl ein Heer von Literatur zu alle den Kindern in dir. Du hast sicherlich auch schon einmal einen kleinen Engel auf deiner einen Schulter gespürt und einen kleinen Teufel auf der anderen, die dir in deinen Gedanken völlig konträre Ratschläge gegeben haben.


So gibt es in der neueren Fachliteratur zwei berühmte Beispiele dazu, von denen ich dir eines bereits in einem Blog vorgestellt habe. Damit meine ich Jill Bolte-Taylors Ansatz, den sie in ihrem Buch "Whole Brain Living" vorstellt ( wenn du den Beitrag dazu lesen möchtest, musst du nur auf den Titel klicken).


Taylor spricht auch davon, dass wir einerseits Charaktere in der linken Gehirnhälfte haben, die zwar gute Checker sind, aber auch sehr kontrollierend, emotional und angstgesteuert, während unsere Anteile in der rechten Hemisphäre eher abenteuerlustig, verbindend und gelassen sind.


Der zweite Ansatz stammt von Dick Schwartz, der das Modell der inneren Familiensysteme begründet hat und auch von verschiedenen Anteilen in uns spricht, die sehr verschieden in uns agieren, und wichtige Funktionen für uns erfüllen.



Alle einbeziehen


Beide Ansätze, und auch alle weiteren, die ich im Laufe meines Lebens kennengelernt habe, gehen davon aus, dass wir die Möglichkeit haben, all unsere Anteile in uns zusammenzuholen, um gemeinsam eine liebevolle Strategie zu finden.


Bist du z.B. gerade gestresst oder du machst dir wegen einer Sache Sorgen, dann kannst du diesen Anteilen in dir sagen, dass du ihre Sorge zu schätzen weißt, und du kannst aber auch jene Anteile einladen, die voll Zuversicht in die Zukunft blicken bzw. Vertrauen in deine Fähigkeiten haben.


Bist du z.B. verletzt und enttäuscht, kannst dir selbst Trost schenken, indem du anerkennst, wie es einerseits in dir aussieht, du kannst aber auch einen Anteil in dir finden, die für die traurigen Charaktere in dir da sein kann und der verbalisiert, wie verletzt du bist.


Der Fantasie sind bei dieser Art der liebevollen Selbstfürsorge keine Grenzen gesetzt. Du kannst deinen Anteilen auch Namen geben. So habe ich meinen neurotischer Checker Michael (nach Michael Jordan) benannt, und meinen ängstlichen Besserwisser Malcolm (nach Malcolm mittendrin), meinen verbindenden Anteil Jesus (brauche ich nicht erklären), und mein abenteuerliches, emotionales Ich heißt Aang (nach dem Avatar).



Vom ängstlichen Ernst zum liebevollen Spiel


Wichtig ist bei der Sache, zu erkennen, dass alle Anteile in dir wichtig sind und eine Berechtigung haben, da zu sein. Denn sie alle machen dich aus und sie alle können sehr hilfreich sein.


Nur haben wir in unserer Gesellschaft die Tendenz so zu tun, als gäbe es nur unser Linkshirn bzw. unsere ängstliche Verstandesseite. Aus diesem Grund gedeiht unser Ego zwar prächtig, aber wir leiden nicht nur unter dieser übermäßigen Identifikation mit gewissen Anteilen und Rollen, sondern werden sogar krank davon.


Deshalb kann dir das Einbeziehen all deiner Anteile dabei helfen, nicht alles so ernst zu nehmen, bzw. mehr liebevolle Verspieltheit in dein Leben zu bringen.


So wirst du bald merken, dass dir gerade jene Situationen, die so seriös und ernst daherkommen, mit liebevollem Humor und Zuversicht eine völlig neue Perspektive geben können.


Eine sehr wirksame Methode besteht auch darin, ein Problem oder eine Situation, die dir Schwierigkeiten bereitet, einzuladen, und dir vorzustellen, du wärst diese Komplikation, um sie dann zu fragen, was sie dir mitteilen will.


Du wirst erstaunt sein, wie kooperativ alle Anteile in dir agieren können, bzw. welche interessanten Erkenntnisse deine Probleme dir vermitteln können.



Am besten du probierst ein paar Dinge aus. Solange du liebevoll an all deinen Anteilen dran bleibst, wirst du auf jeden Fall, nicht nur viel über dich selbst lernen, sondern tatsächlich erfahren, was es heißt, sich selbst zu lieben.


Du kannst mich gerne anschreiben, wenn du noch weitere Hilfe brauchst. Wir können uns auch gerne unverbindlich (virtuell) zusammensetzen, um mögliche Strategien zu vertiefen. Schreib mir einfach unter wolfgang.neigenfind@visionbord.com, oder hinterlasse mir unten einen Kommentar. Ich freue mich darauf, von dir zu hören.


In Liebe,

dein Wolfgang


PS: Der 2005 entstandene Song "Run", der ursprünglich von Snow Patrol stammt, war 2008 noch einmal ein Hit, als Leona Lewis ihn in einer TV-Show interpretierte. Selbst Snow Patrol Sänger Gary Lightbody war sehr von ihrer Version beeindruckt. Mir hat Lewis Version immer schon Gänsehaut beschert. Aber genauso sind die Lyrics für mich ein Spiegel unserer inneren Zerrissenheit bei dem Versuch, uns selbst Trost zu schenken. Zeilen wie


Light up, light up

As if you have a choice

Even if you cannot hear my voice

I'll be right beside you, dear


zeigen sehr gut, wohin die Reise für dich gehen kann, wenn du bereit bist, für dich selbst liebevoll da zu sein. <3