builderall

My Image

Stell dir vor, du hast mehrere Kinder. Die einen heißen Liebe, Freude, Dankbarkeit und Vergebung, und die anderen Angst, Zweifel, Ärger und Wut. Während du die eine Gruppe oben bei dir leben lässt, und dich ihrer Gegenwart erfreust, verbannst du die anderen in den Keller, weil du sie nicht um dich haben willst, und nichts von ihnen wissen willst. Die Kinder in ihrem Verlies sind aber immer noch da, auch wenn du sie nicht mehr sehen musst.  Sie werden versuchen, sich zu befreien, vielleicht wollen sie sogar das Haus in Brand stecken. Und je länger du sie gefangen hältst, desto explosiver wird die Stimmung.

Das oben beschriebene Bild entspricht in etwa dem, wie die meisten von uns mit ihren als negativ empfundenen Impulsen und Emotionen umgehen. Im heutigen Blogbeitrag möchte ich dir dabei helfen, eine völlig neue Beziehung zu einem dieser Stiefkinder aufzubauen, bis die Angst sogar eine deiner besten Freundinnen wird.

Angst verstehen

My Image

Wenn du Angst empfindest, erlebst du gewisse physische Zustände, wie z.B. einen erhöhten Herzschlag, flache Atmung, oder Schwitzen. Diese Anzeichen sind Vorgänge, die wir nicht nur mit Angst verbinden, das heißt, sie sind eigentlich weder positiv noch negativ.

Fest steht nur, du verspürst ein gewisses, körperliches Unbehagen, dass wir je nach Situation als Angst interpretieren. Das bedeutet, dass Angst erst durch die Art und Weise entsteht, wie wir eine Situation bewerten bzw. einschätzen.

So könnte es sein, dass zwei Menschen in genau derselben Situation, die gleiche körperliche Reaktion erleben, und sie aber völlig unterschiedlich erleben. Angenommen, diese zwei Menschen, stehen kurz davor, eine Bühne zu betreten, um eine Rede zu halten. Die eine interpretiert das körperliche Unbehagen als Vorbote ihres Versagens, und empfindet Angst, während die andere dieses Lampenfieber als Zeichen der Vorfreude deutet, das darauf hinweist, dass gleich etwas wirklich Tolles passiert.

Der naturalistische Fehlschluss rund um die Angst

My Image

Ein naturalistischer Fehlschluss bedeutet, dass wir eine beobachtete Reaktion als Norm etablieren, obwohl dies nicht der Fall sein muss. Damit ist gemeint, dass nur weil etwas passiert, dies noch lange nicht bedeuten muss, dass dies auch so sein soll.

Im Fall der Angst ist Folgendes passiert. Verhaltensforscher wie Konrad Lorenz haben vor allem Tiere beobachtet, und haben vom tierischen Verhalten auf die Menschen geschlossen.

Und so wurden folgende Reaktionen, die bei Tieren instinktiv ablaufen, als Muster menschlichen Verhaltens etabliert:

Kampf, Flucht, Erstarren. My Image

Was aber bei dieser Generalisierung übersehen wurde, ist der Umstand, dass Menschen keine Tiere sind. Ich gebe dir ein Beispiel. Während bei Tieren ab ihrer Geburt ihr Programm abläuft, und viele von ihnen sofort laufen können, bzw. sogar alleine überlebensfähig sind, kommen Menschen völlig hilflos zur Welt, und ihre Instinkte sind gleich null, was wiederum ihre Neuroplastizität und Lernfähigkeit ermöglicht.

Deswegen ist es mehr als unlogisch davon auszugehen, dass wir als nahezu instinktlose Wesen, Reaktionen zeigen müssen, die auf einem Mechanismus basieren, den wir gar nicht unser eigen nennen?

Könnte es nicht sein, dass diese drei Reaktionen zwar auftreten, aber das nicht bedeutet, dass sie die einzigen sind, bzw. dass wir sie nicht verändern können?


Angst auf Autopilot

My Image

Viel wahrscheinlicher als eine instinktive Angstreaktion erscheint mir ein sozialisiertes und erlerntes Verhalten, dass wir einfach viel zu wenig hinterfragen, weil wir uns kollektiv entschieden haben, Angst auszublenden.

Sigmund Freud hat dies bereits vor mehr als 100 Jahren erkannt, als er postulierte, dass wir unsere Angst ins Unbewusste abschieben wollen, damit wir uns mit ihr nicht auseinandersetzen müssen.

Unglücklicherweise hat er die Rolle des Bewusstseins völlig unterschätzt, bzw. es bloß als passives Versteck unserer Ängste gesehen. Hätte er sich mit Traditionen wie dem Taoismus oder Buddhismus mehr auseinandergesetzt, hätte er erkannt, dass gerade das Bewusstsein den Schlüssel bildet, für einen anderen Umgang mit der Angst.

Im Alltagsverständnis wurden aber all diese Erkenntnisse ignoriert, damit wir unser Ego auf Autopilot laufen lassen können, als wären wir instinktgesteuerte Tiere, ohne Wahl ihrer Handlungen.

Die drei Sackgassen

My Image

So hat sich die Mär der Kampf-Flucht-Erstarrungs Reaktion bis heute gehalten, als hätten wir nichts damit zu tun, wie wir auf Ereignisse reagieren. Deshalb mussten wir uns als Gesellschaft nicht unserer Ignoranz stellen, die wir im Umgang mit der Angst an den Tag gelegt haben.

Da ist einmal der Kampf, was im Prinzip nichts anderes ist, als so zu tun, als hätten wir keine Angst, indem wir uns einer Gefahr entgegenstürzen, und so tun, als hätten wir die Möglichkeit Dinge zu kontrollieren.

Dann gibt es noch die Flucht, die wiederum der Versuch ist, vor der Angst wegzurennen, sie nicht wahrhaben zu wollen, und sie zu verdrängen.

Und dann gibt es noch das Erstarren. Das ist ein wenig wie das kleine Kind, das sich die Hände vors Gesicht hält, in der Hoffnung, dass es dann unsichtbar ist.

Was eben alle drei Verhaltensweisen gemeinsam haben, ist der Umstand, dass sie die Angst nicht zulassen wollen. Was dann aber passiert, und das hat auch schon Freud erkannt, ist, dass die Angst dadurch nur noch größer wird, bis sie uns als Erkrankung um die Ohren fliegt.

Die bewusste Begegnung mit der Angst My Image

Nun wissen wir zwar, wie wir Angst nicht begegnen sollen. Was ist aber nun ein konstruktiver Zugang? 

Dazu möchte ich dir noch einmal in Erinnerung rufen, dass die rein körperlichen Symptome von Angst, nicht unbedingt als negativ interpretiert werden müssen. Unser Gehirn unterscheidet nicht wirklich zwischen einer freudigen und einer angsterfüllten Aufregung.

Das heißt, Angst ist nichts anderes als die Art und Weise, wie wir das Unbehagen einer angstauslösenden Situation interpretieren. Der entscheidende Punkt besteht darin, die physischen Anzeichen von der tatsächlichen Reaktion zu entkoppeln.

Dazu brauchen wir ein Bewusstsein der Achtsamkeit. Wenn du es gewohnt bist, immer wieder aufmerksam dich selbst zu beobachten, läufst du nicht Gefahr in die oben beschriebenen Autopilotreaktionen zu verfallen.

Denn wenn du eine Situation des Unbehagens bewusst wahrnehmen kannst, hast du auch die Möglichkeit bewusst in deinem Geist "STOPP" zu sagen, und erst einmal eine Handlungspause einzulegen.



Die Angst als Freundin

My Image

Alle Menschen haben Angst. Angst erlebt jeder Mensch. Immer wieder. Und jeder Versuch, sie zu bekämpfen, vor ihr davonzulaufen, oder sie zu ignorieren, führen nur dazu, dass die Angst noch lauter und eindringlicher danach schreit, dass du sie endlich anerkennst.

Genau dies ist auch der Schlüssel. Wenn du ein Unbehagen empfindest, wenn sich die Angst ankündigt, dann schließe die Augen. Stell dir vor, dass die Angst eine Freundin ist, die sich deine Zuwendung wünscht. 

Umarme sie, zeig ihr, dass du für sie da bist, bis sie bzw. du dich wieder beruhigst. Dann hör ihr endlich einmal zu. Verstehe, dass Angst nicht dein Feind ist, sondern eine Freundin, die dir helfen will.

Was will sie dir vermitteln? Welche Weisheit will sie dir eigentlich offenbaren? Wenn du bereit bist, deine Angst anzunehmen, und ihr mit Respekt zu begegnen, dann wird sie tatsächlich vom ungeliebten Kellerkind zu deiner Freundin.

Angst tritt ja nur dann auf den Plan, wenn etwas für dich Wichtiges in deinem Leben passiert. Das heißt, sie macht dich darauf aufmerksam, genau hinzusehen, in dich zu gehen, und zu hören, was sie dir sagen möchte. Denn egal was es ist, es ist sicher von wesentlicher Bedeutung für dich. Ansonsten würde die Angst dich ja nicht aufsuchen.

Wenn du ihr nämlich zuhörst und sie wertschätzt, offenbart sich dir, dass Angst ihre Aufgabe erst erfüllt hat, wenn du ihr Geschenk annimmst. So gesehen, wird es schnell offensichtlich, dass deine Angst dir vor allem eines tut, sie steht dir zur Seite. Und du erkennst die Angst als Vorbotin versteckter Zuneigung, weil sie nichts anderes ist, als der Versuch, die Liebe zu dir selbst zuzulassen.

Letztlich gibt dir Angst ihr größtes Geschenk, wenn sie dir die Tür zu deinem Wachstum, deiner Entwicklung öffnet. Dass sie dabei verschwinden muss, um der Liebe Platz zu machen, ist der Moment der Transzendenz. Wenn Angst sich in Liebe verwandelt. My Image

Ich hoffe, ich konnte dich mit deiner Angst versöhnen, und du wagst zumindest den Versuch, ihr ab jetzt anders zu begegnen. Ich habe es bereits ausprobiert. Kein Vergleich. Ich würde mich freuen, auch von deinen Erfahrungen zu hören, unter wolfgang.neigenfind@visionbord.com, oder in den Kommentaren. Ich stehe auch gerne für Fragen zur Verfügung, oder begleite dich gerne auf deinem Weg. Melde dich einfach für ein unverbindliches Gespräch.

Alles Liebe,

Dein Wolfgang


PS: Alexa Feser, eine immer wieder unterschätzte Sängerin und Komponistin aus Berlin, zeigt dir in ihrem 2019 erschienenen Song, was passiert, wenn du mit der Angst tanzt. Dann kommt nämlich der Mut zu dir!