
Mit 16 Jahren beschloss ich, mein Interesse der Politik zu widmen. Ich begann damit wöchentlich Newsweek zu lesen, stieg dann im Zuge einer extrem unterbeschäftigen Ferialpraxis bei einem großen deutschen Versicherungsunternehmen auf eine großformatige Tageszeitung um, und begann schließlich jeden Tag der Woche alles zu lesen, was da als lesenswert gedruckt wurde.
Ich kannte im Zuge meiner Lektüre alle Unterstaatssekretäre sämtlicher Fraktionen, wusste wie der ungarische Außenminister hieß, wer im EU Parlament saß, was sich auf der Bühne der Weltpolitik so tat, und ich war auch bewandert in den zeitgeschichtlichen Hintergründen.
Heute ist alles ganz anders. So erfuhr ich den Namen des aktuellen britischen Premiers erst durch eine Unterrichtsstunde über Großbritannien, die ein Assistenzlehrer aus London hielt. Wenn du mich schnell fragst, kann ich dir nicht sagen, wer gerade das Bildungsministerium leitet, oder ob es dieses Ressort überhaupt noch gibt.
Ich habe nicht nur sämtliche Abos gekündigt. Ich sehe auch absolut kein Fernsehen mehr, vor allem keine Nachrichten, und habe alle aktuellen Meldungen auf meinem Browser und Handy deaktiviert.
Was ist da passiert? Und warum erzähle ich dir das überhaupt?
Vieles von dem, was wir so gemeinhin als Normalität oder sogar als notwendig erachten, wurde nie auf seine Wirkung auf uns hinterfragt. So gehen die meisten Menschen davon aus, dass erstens Information nützlich ist, und dass es zweitens wichtig ist, über alles auf dem Laufenden zu sein.
Nur hat sich im sogenannten Informationszeitalter herausgestellt, dass vor allem selbige immer mehr auf der Strecke bleibt. Vom Overkill an verfügbaren Daten gar nicht zu reden.
Programmierer sämtlicher sozialer Medien haben Dank Universitätslehrgängen an Elite Unis wie Stanford gelernt, Menschen zu manipulieren, um sie bei der Stange zu halten.
So werden sämtliche Apps so gestaltet, dass sie uns auf hormonaler Ebene kurzfristig belohnen und gleichzeitig abhängig machen.
Früher als Qualitätsmedien bekannte Zeitungen, die schon vor dem Internet mit ihrem Überleben gekämpft haben, können sich nur über die Runden retten, wenn sie das Infotainmentspiel mitspielen.
So ist es nicht verwunderlich, dass auch "Die Presse" oder andere Medien potentielle Leser mit sensationsgeilen Breaking News und Livetickern ködern, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden.
Politiker und Journalisten leben längst in einer Art Parallelwelt, indem sie sich gegenseitig mit Meldungen befeuern, während der Großteil der Menschen die Themen, die da abgehandelt werden, nicht einmal ignoriert.
Außerdem leben alle - dank Google Ads und Customization - in ihrer eigenen Welt, mit ihren Prominenten, Helden und Bösewichtern, die zwar viele kennen, aber nur jene, die gemeinsame Interessen haben.
So ist es heutzutage durchaus normal, dass sogar innerhalb einer Familie, kein Mitglied mehr die Menschen kennt, die die anderen für bedeutend erachten.
Was bleibt ist folgendes Bild:
Politik interessiert kaum jemanden mehr und vor allem schenkt dem, was Politiker sagen, niemand mehr Glauben. Außerdem gibt es keine Realität mehr, die für alle Relevanz besitzt. Somit dominieren Nachrichten, die im Prinzip beliebig und nicht bedeutend für dein Leben sind.
Was aber noch viel schwerwiegender ist, ist der Umstand, dass sämtliche Meldungen vor allem unser Ego bedienen und stärken, und mit Gewissheit dafür sorgen, dass es dir nicht gut geht, wenn du dich den Nachrichten aussetzt.
Den wenn etwas mehr denn je gilt, dann die alte Journalistenweisheit, dass nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind.
Somit kannst du getrost davon ausgehen, dass wenn du dir morgens eine 5-minütige Dosis Nachrichten gönnst, du auch gleich eine Zigarette anzünden , einen Donut essen, und ein Glas Vodka mit Red Bull trinken kannst. Denn genauso gesund sind sie für dich.
Zum Test habe ich die "ORF" Seite geöffnet, wo vor allem über Katastrophen berichtet wird, "Die Presse" Seite berichtet von einem Ausbruch eines Inhaftierten, "Der Standard" schreibt von einer Pleite eines Unternehmens, die "FAZ" vom Handyverbort an Schulen und selbst "Die Zeit" fragt sich, warum die AfD plötzlich schwächelt. Und dabei war ich nicht einmal bei den sogenannten Boulevardmedien unterwegs.
Ich würde sogar soweit gehen, in Frage zu stellen, warum man sich überhaupt einer Lawine an Informationen aussetzen sollte, die dir absolut keinen Dienst anbieten können und dir nachweislich schaden.
Die Problematik sozialer Medien erspare ich dir an dieser Stelle, da ich davon ausgehe, dass sie hinlänglich bekannt ist. Nur vielleicht eines: Ich verbringe bewusst zwei mal pro Tag ein paar Minuten auf Facebook und Instagram, um meine Beiträge zu posten oder auf Kommentare zu reagieren. Und obwohl ich nur in spirituellen Gruppen vertreten bin, merke ich bereits nach kurzer Zeit, welch seltsame Wirkung diese Medien auf mich haben.
Der bewusst ausgelöste Dopaminkick, der dazu führt, dass wir sogar zum Handy greifen, wenn wir nicht wissen warum, hat sogar einen Namen bekommen: FOMO, was für "fear of missing out" steht, und übersetzt die Angst bedeutet, etwas zu versäumen.
Wir können noch gar nicht abschätzen, was die geringen Dosen an Angst und Stress bei Menschen anrichten, wenn wir 50-80 Mal pro Tag zu unserem Smartphone greifen, um dem Bedürfnis nachzugehen, auf dem Laufenden zu bleiben.
Studien der letzten Jahrzehnte haben jedenfalls gezeigt, dass der Schaden von kleinem Alltagsstress viel erheblicher ist als akute Krisen, die hin und wieder auftreten.
Ich bin davon überzeugt, dass wir uns eine Welt kreieren, die unseren Vorstellungen entspricht. Wenn du also in einer Wirklichkeit von Dramen, Katastrophen und Weltuntergangsszenarien leben möchtest, dann nur zu.
Ich bevorzuge eine Realität, die liebevoll und bewusst ist, und da ist für all die Angst und den Stress, der uns suggeriert wird, absolut kein Platz. Gerade die letzten Jahre (Stichwort Pandemie) haben mich darin bestätigt, dass Negativität sogar tödlich sein kann.
Und glaube mir, alles, was du mitbekommen solltest, kommt ohnehin zu dir. Auch ohne Nachrichten zu konsumieren.
Doch was ist jetzt mit Wahlen?
Kehren wir wieder zum Ausgangspunkt zurück: Ich habe mich fast 30 Jahre lang intensiv mit Politik auseinandergesetzt, wusste mehr als jede Staatsbürgerpflicht mir verordnen konnte. Habe ich deswegen die klügeren und informierteren Entscheidungen getroffen?
Ich zweifle daran. Eher im Gegenteil. Weil ich glaubte, Bescheid zu wissen. Weil ich mich auf Quellen verlassen habe, die mir nur ihre Version der Geschichte verkaufen wollten, ich mich aber von der Wahrheit immer mehr entfernt habe.
Heutzutage interessieren mich eher die wichtigen Fragen als die "richtigen" Antworten. Das einzige, das sich für mich als Gewissheit darstellt, ist nichts zu wissen. Und so gehe ich auch in politische Wahlen. Selbst wenn das bedeutet, niemanden vorzufinden, der wählbar ist.
Was ich dir mit diesem Blogbeitrag verdeutlichen wollte, ist der Umstand, dass immer alles, was man so tut, es verdient, hinterfragt zu werden. Denn würde es allen so gut mit ihrem bisherigen Nachrichtenkonsum gehen, würden die meisten Menschen nicht so leiden, wie sie es tun.
Erst heute habe ich zu meiner Partnerin Celine gesagt, dass im Rückblick unser Leben eine Abfolge vieler bewusster Entscheidungen war. Und auf Nachrichten zu verzichten war eine davon, die ich keine Sekunde bereut habe.
Was du mit diesen Zeilen hier macht ist natürlich deine Sache. Aber nachdem mich immer wieder Menschen danach fragen, wie ich zu der Person wurde, die ich heute bin, ist dies ein Teil der Antwort davon.
Ich wünsche dir alles Liebe auf deinem Weg, wie auch immer er aussehen mag. Wenn ich dich dabei unterstützen kann, die Architektur deines Tages oder deines Lebens neu zu ordnen, melde dich einfach bei mir. Ich freue mich darauf, mit dir zu sprechen oder dir zu schreiben, unter wolfgang.neigenfind@visionbord.com.
In Liebe,
dein Wolfgang
PS: Don Henley (Mitglied der Eagles) war immer sehr um seine Privatsphäre bemüht, was als Mitglied einer Kultband in den USA nicht unbedingt leicht war. Als die Erkrankung seiner damaligen Partnerin von den Medien ausgeschlachtet wurde, und kurz darauf die Beziehung in die Brüche ging, schrieb Henley als Reaktion darauf 1982 den Song "Dirty Laundry". Und in den 40 Jahren seit der Song geschrieben wurde, hat sich die Sache nicht gerade gebessert. Es ist vor allem die Schmutzwäsche, die Medien am Leben erhält.
Leider gibt es kein gutes Lyrics Video, deshalb stelle ich den Text unter das Video.
I make my living off the evening news
Just give me something-something I can use
People love it when you lose,
They love dirty laundry
Well, I coulda been an actor, but I wound up here
I just have to look good, I dont have to be clear
Come and whisper in my ear
Give us dirty laundry
Kick em when theyre up
Kick em when theyre down
Kick em when theyre up
Kick em when theyre down
Kick em when theyre up
Kick em when theyre down
Kick em when theyre up
Kick em all around
We got the bubble-headed-bleach-blonde who
Comes on at five
She can tell you bout the plane crash with a gleam
In her eye
Its interesting when people die-
Give us dirty laundry
Can we film the operation?
Is the head dead yet?
You know, the boys in the newsroom got a
Running bet
Get the widow on the set!
We need dirty laundry
You dont really need to find out whats going on
You dont really want to know just how far its gone
Just leave well enough alone
Eat your dirty laundry
Kick em when theyre up
Kick em when theyre down
Kick em when theyre up
Kick em when theyre down
Kick em when theyre up
Kick em when theyre down
Kick em when theyre stiff
Kick em all around
Dirty little secrets
Dirty little lies
We got our dirty little fingers in everybodys pie
We love to cut you down to size
We love dirty laundry
We can do the innuendo
We can dance and sing
When its said and done we havent told you a thing
We all know that crap is king
Give us dirty laundry!