
Im vierten und letzten Teil der Serie über spirituelles Leben geht es um einen Bereich, in dem du Spiritualität bereits mit der Lupe suchen musst. Ich spreche von Politik.
Wenn ich zum Beispiel jene Spitzenkandidaten der österreichischen Parteien betrachte, die gerade eine neue Regierung bilden, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie sich selbst in der Tradition jener seltenen Spezies von Personen sehen, die das Schicksal von Ländern aus einer spirituellen Perspektive heraus verändert haben.

Wagen wir den Blick zurück in der Geschichte, gibt es sie doch. Sie sind sehr selten, wollten meistens nichts mit der Rolle zu tun haben, die sie gespielt haben und sie wurden obendrein oft bekämpft oder gar ermordet. Ich spreche von spirituellen Politikern.
Jene, die mir sofort in den Sinn kommen, sind Marcus Aurelius, Mahatma Gandhi, Martin Luther King Jr. und Nelson Mandela.
Diese vier sind alles andere als typische Politiker, und wollten es meist auch gar nicht sein.
So war Marcus Aurelius ein wichtiger Vertreter der stoischen Philosophie, dessen Werke bis heute oft gelesen werden. Und ich weiß noch, als ich las, dass er selbst am Vorabend einer wichtigen Schlacht schrieb, dass er sich nicht verleiten lassen werde, seine Feinde zu hassen.
Gandhis Rolle als Politiker wider Willen, dessen tief verwurzelte Spiritualität ihn zum Führer einer gewaltfreien Bewegung werden ließ, die Indien nicht nur befreite, sondern bis heute einzigartig in der Geschichte ist, machte ihn zum Vorzeigepolitiker aus spiritueller Sicht.
Doch auch Martin Luther King Jr. lebte bis zu seinem letzten Atemzug jene Spiritualität, die ihn dazu brachte, unermüdlich nicht nur die Ungerechtigkeiten für Afro-Amerikaner aufzuzeigen, sondern an einer liebevollen Vision einer Welt zu arbeiten, die erst funktioniert, wenn alle befreit sind.
Schließlich ist da noch Nelson Mandelas außergewöhnliche Reise, die geprägt ist von Versöhnung und Liebe, und das nachdem er sein halbes Leben im Gefängnis verbringen musste, bevor er zum Staatsoberhaupt von Südafrika wurde.
Wie es aktuell aussieht, werden wir auf weitere spirituelle Politiker noch warten müssen, auch wenn es Marianne Williamson hoch anzurechnen ist, dass sie nicht nur bereits zweimal für die Präsidentschaft kandidiert hat, sondern auch eine Vorreitern in Sachen spirituelle Politik ist.
Sie meint zurecht, dass wir das Feld nicht jenen überlassen dürfen, die typisch sind für das politische Establishment, was ja, wie man in den USA gerade sehen kann, ziemlich nach hinten losgehen kann.
Deswegen werde ich jetzt, so wie in den anderen drei Teilen darüber sprechen, welche Werte für einen spirituellen Wandel in der Politik hilfreich wären und sie jenen gegenüberstellen, die für die aktuelle Szene gerade typisch sind.

Wenn du nach etwas vergeblich suchst, dann sind es integre und authentische Politiker. Denn auch wenn Typen wie Trump oder Kickl auf den ersten Blick so wirken, als wären sie aufrichtig, weil sie einfach das zum Besten gaben, das ihnen in den Sinn kommt, hat das mit Integrität nicht viel zu tun.
Was aber die beiden tatsächlich vom klassischen Politiker unterscheidet, ist der Umstand, dass du bei den meisten Parteien nur dann Karriere machen kannst, wenn du verbirgst wer du bist, weil ein eigenständiges Profil nicht gefragt ist.
Deswegen werden sämtliche Spitzenkandidaten oder Regierungsmitglieder auch immer wieder gebrieft und gecoacht, darauf, nur das zu sagen, was einem vorgefertigten Bild entspricht, und zu kritischen Fragen nie klar Stellung zu beziehen.
Das ist auch der Grund, warum viele Wähler Populisten hinterherlaufen. Weil sie das Gefühl vermitteln, dass sie wenigstens das sagen, was sie sich denken, selbst wenn ihre Gedanken oft mehr als fragwürdig daherkommen.
Doch wie wir wissen, geht es uns ja allen so. Denn auch wir ertappen uns immer wieder bei Ideen, die nicht gerade liebevoll oder öffentlichkeitstauglich sind.
Darum braucht spirituelle Politik Integrität. Damit ist gemeint, dass ein Mensch, nicht nur versucht, eine liebevolle Wahrheit in sich zu entdecken, sondern sie auch jeden Moment seines Seins zu leben.
Das bedeutet aber auch, dass ein spiritueller Politiker nur verspricht, was er auch halten kann. Oder dass er erst etwas sagt, wenn es die Wahrheit seines wahren Selbst ist, die durch ihn kommt, und nicht Ängste seines Egos.
Letzten Endes bedeutet Integrität das eigene Heil so anzustreben, dass es für uns alle ein besseres Leben bedeuten kann.

In der aktuellen Politik kann es sich ein Kandidat oder Regierender nicht wirklich leisten, etwas zu vertreten, dass nicht gerade die breite Unterstützung der Mehrheit hat.
Andererseits ist es noch kurioser, dass wir quasi bei Wahlen jenen unser Vertrauen schenken sollen, denen wir sicherlich nicht vertrauen.
Das Bild von Politikern ist mittlerweile so negativ, dass man tatsächlich den Eindruck hat, dass jeder intelligente und vertrauenswürdige Bürger einen großen Bogen um die Politik macht.
Andererseits wundern wir uns dann, dass wir jene Politiker haben, die wir gerade haben.
Ich glaube, wir können in dieser Hinsicht erst eine Kehrtwende erleben, wenn es wieder Politiker gibt, die genau das Gegenteil von dem tun, das gerade angesagt ist. Ich spreche von Dienen statt Eigeninteresse.
Oder kennst du auch nur einen Politiker, der nicht die eigene Wiederwahl oder das Wohl der Partei über das Dienen des Gemeinwohls stellt?
Das liegt auch daran, dass die Parteien in Ländern wie Österreich oder Deutschland auch nur jene zum Zug kommen lassen, die auf Linie bleiben.
Spirituelle Politik muss wieder das Dienen in den Mittelpunkt ihrer Aufgabe stellen. Und damit kann es nur am das Wohl aller gehen. Auch wenn das in einer egolastigen Gesellschaft wie die Quadratur des Kreises daherkommt.
Doch das bedeutet nicht, dass spirituelle Politiker unfehlbar und perfekt sein müssen, wie man sehr gut an den oben genannten Beispielen erkennt. Es reicht schon, wenn ihre Liebe zu allen Menschen so groß ist, dass sie dieses zur Richtschnur ihres Handelns machen.

Dies kann aber nur funktionieren, wenn Politiker endlich damit aufhören, sich wie egozentrische Schulhofmobber zu gebärden.
Gerade in Wahlkampfzeiten oder Phasen der Regierungsbildung sieht man in Staaten wie Deutschland oder Österreich nur Mehr von dem, von dem wir alle längst genug haben.
Nicht einmal ansatzweise kommt da jemand auf die Idee, dass Zusammenarbeit wichtiger sein könnte, als das eigene Profil auf Kosten anderer zu schärfen.
Nach einem Wahlkampf, in dem darüber gesprochen wurde, warum die Mitbewerber nicht gut genug sind, dann ernsthaft mit genau jenen in eine Regierung einzutreten, denen man gerade noch die Kompetenz abgesprochen hat, ist einfach nur lächerlich und unglaubwürdig.
Spirituelle Politik stellt die Fähigkeit zusammenzuarbeiten immer über die Konkurrenz, da diese nur aus dem Angst des kollektiven Egos entspringen kann, und somit alles, nur nicht hilfreich sein kann.
Stell dir nur vor, dass es tatsächlich Politiker gäbe, die die Ideen von Vertretern anderer Parteien für gut befinden und dies sogar noch öffentlich sagen.
Besonders irritierend an der Geschichte ist der Umstand, dass alle Beteiligten, wenn es um Machtspiele geht, all das über Bord werfen, dass eigentlich den Zusammenhalt einer funktionierenden Gesellschaft ausmacht.

Wenn es um Wachstum geht, gilt immer noch die alte Doktrin des Kapitalismus, dass Mehr mehr ist, koste es was es wolle.
Doch mittlerweile sollten alle längst wissen, dass dies nicht nur zu einer extremen Ungleichheit in der Vermögensverteilung führen kann, sondern dass wir uns selbst und den Planeten dabei zugrunde richten.
Denn uns geht es im Hamsterrad des Immer-mehr-haben-Müssens alles andere als gut, weil wir nur versuchen, unser kollektives und individuelles Ego zufriedenzustellen, was ohnehin nicht möglich ist.
Und um das Elend zu vervollständigen, sind wir drauf und dran auch noch den gesamten Planeten mit in die Tiefe zu reißen; sozusagen als offensichtlichen Beweis des Scheiterns des ganzen Wachstumsunternehmens.
Eigentlich ist es ja allen Beteiligten klar, was hier passiert. Trotzdem tun alle so, als wäre die Welt und unser eigenes Wohlbefinden nur dazu da, sie auszubeuten.
Spirituelle Politik setzt nicht mehr auf blinden Konsum, Wachstum und Kapitalismus. Stattdessen verstehen spirituelle Politiker, dass wir alle verbunden sind, und es nur uns und dem Planeten gut gehen kann, wenn wir uns selbst als Einheit mit Achtung und Respekt begegnen.
Das bedeutet, dass Nachhaltigkeit, Wertschätzung, Gesundheit der Menschen und des gesamten Planeten wichtiger sind als Profit und Wachstum. Denn spirituelle Politiker besitzen auch das Bewusstsein, das ihnen keine andere Wahl lässt, als die Wahrheit der Liebe zu allem anzuerkennen.

Und schon sind wir bei dem zentralen Punkt angelangt. Sieh dich um! Du kannst davon ausgehen, dass abgesehen von den weltweit im Fokus stehenden Kriegsschauplätzen, auch noch Hunderte anderer bewaffneter Konflikte gerade jetzt irgendwo auf der Welt wüten.
Der Grund für die ewigen Auseinandersetzungen ist im Prinzip immer nur ein einziger. Ich spreche von der Angst, die uns dazu bringt, die seltsamsten Dinge zu tun. Denn selbst wenn du jetzt argumentieren würdest, dass gewisse Menschen machtgierig seien, ist auch diese Aggression nur ein Resultat des Gefühls nicht genug zu sein bzw. zu haben.
Darum ist es eigentlich so, dass all das männliche Kriegsgehabe, all die Waffen und Kämpfe nichts anderes sind als der Ausdruck männlicher Panik, zu klein und zu unwichtig zu sein.
Wenn es nicht so tragisch wäre, könnte man ja fast lachen und all die wütenden Männer einmal in den Arm nehmen, um ihnen zu zeigen, dass sie geliebt werden.
Spirituelle Politik hat deswegen die Liebe als oberstes Ziel, für uns alle und für den gesamten Planeten. Dass Gewaltlosigkeit keine Utopie sein muss, haben gerade Gandhi, Luther King oder Mandela eindrucksvoll demonstriert. Deswegen wurden sie ja von der Angst des kollektiven Egos als Bedrohung erlebt, was zu ihrer Inhaftierung oder Ermordung führte.
Nur wenn wir in der Fülle der einzigen Wahrheit der Liebe leben, wissen wir, dass es nichts zu fürchten gibt und dass wir alle eine Familie sind. Selbst wenn wir so tun als wäre das Gegenteil der Fall.

Und das bringt uns zum letzten Punkt, der am besten zeigt, wohin der Weg gehen wird, wenn Spiritualität in die Politik einzieht.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass Politik nachwievor von männlichen Werten und Personen dominiert wird.
Denn unabhängig vom biologischen Geschlecht ist es das Feminine, das eine Welt braucht, die sich nicht nur der Spiritualität verschreibt, sondern die auch eine Zukunft haben möchte.
Wir brauchen das Verbindende, die Ko-Kreation und Zärtlichkeit. Wir brauchen Achtung, Demut und Stille. All das sind Attribute, die wir eher mit dem femininen Prinzip assoziieren.
Männer wie Gandhi oder Luther King Jr., oder auch Jesus waren äußerst feminin in all ihrem Wirken. Denn sie haben alle niemanden ausgeschlossen und ihr gewaltloses Auftreten wird nicht gerade mit Maskulinität verbunden.
Doch viel offensichtlicher ist die Variante, einfach den Platz für Frauen zu räumen, damit sich die Welt der Politik grundlegend ändern kann.
Nur ist das erst dann möglich, wenn auch diese Frauen so bewusst sind, dass sie auch jene Feminität verkörpern, die es braucht, um einen Wandel voranzutreiben.
Ich verfolge bereits seit Jahren keine Tagesnachrichten mehr, um dem egozentrischen Gehabe der aktuellen Politik und der Medien keinen Raum in meinem Leben mehr zu geben. Doch auch mir ist klar, dass wir Menschen in der Politik brauchen, die Integrität, Liebe und Einheit - also Spiritualität - leben. Und wir alle können unseren Beitrag leisten. So ist mein ganzes Wirken als Lehrer, Autor und Vater nicht nur meine Bestimmung und Zeichen meiner Spiritualität, sondern auch äußerst politisch, da ich damit in all meinen Wirkbereichen an einer Änderung mitwirke. Da ist es wahrscheinlich auch ein gutes Zeichen, dass ich tatsächlich immer wieder von verschiedenen Seiten angefeindet werde, und das nicht erst seit Kurzem.
Darum mein Zuruf an dich: Wenn du deinen Weg der Spiritualität gehst, bist du auch immer politisch aktiv und leistest einen aktiven Beitrag zu deiner Transformation und der der ganzen Menschheit. Also, bleib dran, du bist nicht allein!
In Liebe,
Dein Wolfgang
PS: Wie immer, freue ich mich von dir zu hören. Schreib mir einfach unter wolfgang.neigenfind@visionbord.com. Egal ob es ein Kommentar ist, Feedback, deine eigenen Erfahrungen, oder eine Frage. Du kannst dich auch gerne für ein unverbindliches Gespräch bei mir anmelden, damit ich dich dabei unterstützen kann, deinen eigenen Weg zu finden.
PPS: Ich mochte die Energie von "All Together Now" von The Farm, das 1991 erschien, immer schon. Es geht in dem Lied um die Geschichte von englischen und deutschen Soldaten im ersten Weltkrieg, die zu Weihnachten 1914 ein gemeinsames Fußballspiel veranstalteten. Und natürlich geht es in dem Song auch um den Gedanken, dass wir alle verbunden sind.