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Im dritten Teil der Reihe über Spiritualität in allen Lebensbereichen möchte ich über einen Bereich schreiben, denn du wahrscheinlich gar nicht mehr mit Spiritualität in Verbindung bringen wirst. Ich spreche von der Welt der Wirtschaft und der Arbeit.


Doch gerade der Umstand, dass fast niemand auf die Idee kommt, jene Sphäre, der wir mit Anfahrtszeit fast die Hälfte unserer gesamten Woche widmen (also jene Zeit, die wir wach und aktiv sind), auch nur ansatzweise spirituell anzugehen, zeigt sofort, wie schlimm es um dieses Gebiet unseres Lebens steht.


Immerhin ist es - kurz gesagt - ja auch die materielle Verkörperung unseres kollektiven Egos. Denn kein anderer Bereich unseres Daseins verführt uns einerseits ständig dazu, uns ungenügend zu fühlen, und belastet uns andererseits so sehr, wie das, was wir - entlarvenderweise - als den Ernst des Lebens bezeichnen.


Darum spreche ich im Titel auch von Notwendigkeit, da ich der Meinung bin, dass es für uns alle bereits fünf nach Zwölf ist, wenn es darum geht, was in Sachen Wirtschaft und Arbeit alles schief läuft.



Gesunde Welt statt kranker Wirtschaft



Alle wissen längst, dass etwas mit dem System des Kapitalismus aus dem Ruder läuft. Nur ist es eben so, dass jene wenigen, die wirklich davon mehr als profitieren, auch diejenigen sind, die nicht nur die Regeln vorgeben, sondern auch noch mehr an ihm verdienen wollen.


Und auch wenn dies natürlich nicht auf alle zutrifft, wird man doch das Gefühl nicht los, dass selbst Anliegen wie Nachhaltigkeit und soziales Engagement eher als Verkaufsmasche gehandelt werden.


Es ist ja eigentlich simpel. Schließlich fühlen wir uns als Konsumenten ohnehin schon schlecht, weil wir wissen, dass wir zu viel kaufen und dem Planeten damit schaden. Dann sind wir natürlich auch leichte Beute für alle Versuche von CSR der Marken, die uns weismachen, dass wir etwas Gutes tun, wenn wir ein Produkt kaufen, egal ob sie aufrichtig sind, oder nur so etwas wie Greenwashing.


Anders formuliert: Solange wir ein Wirtschaftssystem aufrecht erhalten, dass mehr Interesse am Profit einzelner hat, als am Wohl der gesamten Welt, solange werden wir in diesem System leben.


Dabei gab es immer schon Ansätze zu mehr Bewusstsein. Wusstest du z.B. dass ausgerechnet der Republikaner Richard Nixon das bedingungslose Grundeinkommen in den USA einführen wollte, um es als sein Erbe zu hinterlassen? Oder dass sogar noch George Bush Senior in einer Rede als 41. Präsident davon sprach, dass alle Menschen, sobald sie einmal in die USA kommen, egal ob legal oder illegal, die Verantwortung des Landes seien, indem man für sie da ist?


Wie du siehst, gibt es immer wieder spirituelle Ansätze, die nur darauf warten, umgesetzt zu werden. Und es ist an jedem einzelnen von uns, etwas dazu beizutragen, dass wir uns wieder mit allen und allem verbunden fühlen, statt auf kurzfristige Ausbeutung zu setzen.


Denn dass das System, das wir bisher hatten, nicht nur krank ist, sondern uns alle krank macht, das werde ich dir im Folgenden demonstrieren, um auch gleich zu zeigen, was der Ausweg sein könnte.



Selbstfürsorge statt Funktionalität



Ist dir schon aufgefallen, dass selbst in sozialen Staaten wie Österreich oder Deutschland Arbeitskräfte behandelt werden wie Fabriksarbeiter oder Hennen in Legebatterien?


Beispiele gefällig?


Ein Bekannter erzählte mir, dass ein Freund von ihm, für eine Zeit lang in seiner Firma allen Ernstes die Aufgabe hatte, bei der Toilette zu stehen, um die genaue Zeit zu stoppen, die seine Kollegen dort verbringen würden.


Ich weiß noch, als ich zwei Kolleginnen darüber streiten hörte, wer von ihnen mehr leidet unter dem Arbeitsdruck. Oder der eine Kollege, der jede Woche am selben Tag mit einer Tasse Kaffee versucht, sich munter zu halten, weil seine Arbeitszeiten so unmenschlich sind.


Wer von uns achtet tatsächlich mehr auf das eigene Wohlbefinden, als auf die Vorgaben der Gesellschaft, oder der Kultur?


In einem spirituellen Arbeitsklima ist es selbstverständlich, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter und ihr Wohlbefinden an oberster Stelle stehen.


Das ist der Grund warum eine Firma wie Patagonia ihre Mitarbeiter jederzeit Surfen gehen lässt, wann immer sie wollen. Oder warum Google sogar einen Spaßbeauftragten hat, der dafür sorgen soll, dass es allen gut geht.


Doch auch jetzt kannst du, egal wo du angestellt bist, etwas für dich tun. Du kannst liebevoll zu dir sein, indem du herausfindest, was dir gut tut, um es dir auch am Arbeitsplatz zu gönnen.


So habe ich an der Schule oft genug meditiert, geschrieben, Menschen umarmt, über Themen gesprochen, die mich bewegen, anderen aufrichtig zugehört, oder darauf geachtet, dass ich mich genug bewege und mich regelmäßig und bewusst ernähre.


Eine spirituelle Praxis, die du überall und jederzeit anwenden kannst, ist die liebevolle Selbstbeobachtung, damit du so oft wie es dir möglich erscheint, bewusst und im Moment bleiben kannst.


Außerdem gestalte ich meine Zeit so, dass es mir dabei gut geht. Das heißt in meinem Fall, dass ich alle Konventionen, die uns unglücklich machen, über Bord geworfen habe, um den Unterricht so liebevoll, authentisch und auch angenehm für alle Beteiligten zu gestalten.


Und sollte das von oben nicht mehr erwünscht sein, was in meinem Fall tatsächlich so ist, dann kannst du ja auch einen Arbeitsplatz suchen, der deine Spiritualität und Selbstliebe zu schätzen weiß.



Respekt statt Rechtfertigen



Denn eigentlich gibt es für uns keine größere Demütigung, als uns für uns selbst oder unsere Bedürfnisse rechtfertigen zu müssen.


Wie viele Menschen kennst du, die kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie sich schlecht fühlen, und deswegen lieber krank zur Arbeit gehen, oder sich selbst im Krankenstand nicht wirklich auskurieren, damit sie nicht zu lange in der Arbeit fehlen?


Klingt nicht gerade gesund, und doch bin ich mir sicher, dass dies auf die meisten von uns zutrifft.


Und das ist nur ein Beispiel für jenen Rechtfertigungsdruck, dem wir ständig ausgesetzt sind.


An einem spirituellen Arbeitsplatz ist der Respekt, der allen entgegengebracht wird, die Basis, wie einander begegnet wird. Ein Respekt, den wir uns nicht verdienen müssen, weil es unser Ausgangszustand ist.


Es gibt niemals einen Grund, Menschen zu Objekten zu degradieren, unabhängig davon, was sie getan haben oder auch nicht.


Wenn wir nämlich damit beginnen, uns gegenseitig als Mittel zum Zweck zu betrachten, sind wir bereits mitten in der Falle jenes kollektiven Egos, das alles und jeden ausbeutet, um kurzfristige Interessen durchzusetzen.


Stell dir nur vor, wie wunderbar es ist, wenn so etwas wie ein schlechtes Gewissen kein Thema mehr ist, weil alle einander mit Achtung und Respekt begegnen.


Und auch wenn alle um dich herum, dieses Motto nicht verinnerlichen wollen oder können, weil ihr Bewusstsein noch nicht so weit ist, kannst du vorangehen, und allen deinen ungeteilten Respekt schenken. Einfach so.



Miteinander statt Konkurrenz



Die jetzige Realität forciert eher das Gegenteil. Wie zum Beispiel, das Konkurrenzdenken, das oft begleitet ist von Neid und Missgunst.


Ich kann mich noch erinnern, als mir eine Freundin erzählte, dass eine Kollegin in ihrer Anwaltskanzlei die Geburt ihres Kindes per Wunschkaiserschnitt auf ein Wochenende gelegt hatte, damit sie nicht zu lange abwesend sein würde, aus Angst, dass die Mitanwälte ihr die Klienten wegschnappen würden.


Doch selbst abseits solcher Extrembeispiele gibt es viele Dinge, die unsere Arbeitswelt oft in verdeckte Kriegsschauplätze verwandeln.


Wenn ich zum Beispiel daran denke, dass ich davor stehe, meinen Arbeitsplatz zu wechseln, weil die Kultur an meiner jetzigen Schule gekennzeichnet ist von gegenseitigem Vernadern bei Vorgesetzten, das eher an Faschismus oder Kommunismus erinnert, dann siehst du, wie schnell es gehen kann, dass die Angst das Kommando an einem Arbeitsplatz übernimmt.


Und auch wenn es im Sport eine Form von Konkurrenz geben kann, die spielerisch ist, erleben die meisten von uns jene Variante, die uns belastet oder sogar krank macht.


Österreich hat leider eine Kultur, die davon gekennzeichnet ist, dass andere, die erfolgreicher sind, mit Misstrauen oder Neid gesehen werden.


In einer spirituellen Arbeitsumgebung ist das liebevolle Miteinander ein zentraler Bestandteil. Das bedeutet, dass man sich auch freuen kann für jene, die etwas Besonderes vollbracht haben.


Miteinander bedeutet auch, einander auf eine Weise zu unterstützen, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Vor allem anderen. Das führt uns gleich zum nächsten Aspekt.



Wertschätzung statt Druck



Wenn es etwas gibt, dass Menschen dazu bringt in allen Berufsbranchen, zusammenzubrechen, dann ist es der Druck, der in der Arbeitswelt als Normalität gilt.


Als Wirtschaftswissenschafter vor 50 Jahren versucht haben, in die Zukunft zu blicken, haben sie für unser Zeitalter prophezeit, dass wir damit zu kämpfen hätten, was wir mit unser Zeit anfangen würden, weil wir so reich sein würden, dass wir kaum mehr arbeiten müssten.


Doch was ist passiert? Wir haben zwar tatsächlich den prophezeiten Wohlstand, arbeiten aber mehr denn je, weil wir in die Wohlstandsfalle des Konsumdenkens gegangen sind, das uns weismacht, dass wir immer mehr brauchen. Und zwar von allem.


Außerdem hat das Internet und Smartphones dazu geführt, dass wir überall erreichbar sind, und oft sowohl beruflich als auch privat gestresst sind, weil alles und alle an uns zerren.


Das Resultat sind Menschen, die ausgebrannt sind, unabhängig davon, ob sie einen Managementposten innehaben, oder einfache Angestellte sind.


Ein spiritueller Arbeitsplatz hat Wertschätzung als eine der obersten Prioritäten, um den Beteiligten zu signalisieren, dass ihr Wohlbefinden wichtiger ist als Deadlines oder Profit.


Ich kann mir zum Beispiel als Lehrer nicht vorstellen, dass ich meinen "Untergebenen" - also meine Schüler - anders als wertschätzend begegne. Für mich war es immer schon egal, wie alt jemand ist, oder welchen Status die Person hat. Wertschätzung haben wir alle verdient.


Wie seltsam es ist, wenn genau das Gegenteil praktiziert wird, habe ich erlebt, als mein Vorgesetzter, damit begonnen hat, seine Position zu missbrauchen, mich zu demütigen und zu verleumden.


Und schon sind wir beim nächsten, wichtigen Punkt angelangt.



Mitbestimmung statt Hierarchie



Ich habe Hierarchien schon immer suspekt gefunden. Das liegt auch in meiner Familie. Sowohl meine Eltern, als auch meine Geschwister konnten sich nie damit anfreunden, dass sich jemand herausnimmt, andere seltsam zu behandeln, dank einer kulturell ausgerufenen Machtposition.


Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen Verantwortung und Macht. Denn natürlich haben gewisse Rollen unterschiedliche Verantwortungen.


Doch nur weil ich jetzt z.B. ein Vater, ein Lehrer oder ein Vorgesetzter bin, sollte ich gerade aus dieser Rolle heraus behutsam mit dieser Macht umgehen, und sie auf keinen Fall dazu verwenden, meinem Ego eine Spielwiese der Willkür zu servieren.


In einer spirituellen Arbeitswelt sind Hierarchien gar nicht mehr nötig oder so flach wie möglich. Dass dies auch in der Wirtschaft keine Utopie mehr sein muss, zeigen Unternehmen auf der ganzen Welt, die sich quasi neu erfinden, und ihre Organisation völlig neu denken.


Ein Projekt oder eine Firma kann auch geleitet werden, ohne Demonstration von Macht, Unterwerfung oder anderem patriarchalischem Gehabe, dass nicht nur unbewusst und egogesteuert daherkommt, sondern auch den Unternehmen selbst schadet.


Wie heißt es sinngemäß im Tao Te Ching? Der weise Führer hält sich im Hintergrund und tut so wenig wie nötig. Interessanterweise war meine erste Chefin, auch wenn sie nicht offen spirituell war, genau von diesem Geist beseelt. Wir hatten nach kurzer Zeit eine freundschaftliche Beziehung, obwohl ich gerade erst von der Uni gekommen war, sie intervenierte so wenig wie möglich, und meinte immer wieder, dass Veränderung von den Schülern über die Lehrer zu ihr kommen müsste.



Wohlfühlen statt Auf-die-Uhr-blicken



Alle kennen das Spiel: Ich spreche vom berühmten Blick auf die Uhr. In der Schule gibt es dazu noch eine Steigerung. Es gibt nämlich Kollegen, die genau wissen, wie viele Tage es noch bis zu den nächsten Ferien sind.


Eigentlich ist es fast schon tragisch, wenn Menschen, danach trachten, ihr eigenes Leben hinter sich bringen zu wollen, und alles daran setzen, so unbewusst wie möglich zu sein, um den Großteil der eigenen Existenz eigentlich zu versäumen.


Wenn wir die Gegenwart so unerträglich finden, dass wir ihr nur mehr entfliehen wollen, dann hat das tatsächlich fatale Konsequenzen.


Ich hoffe für dich, dass du nicht auch zu jener Spezies von Mensch gehörst, die nur für Wochenende und Urlaub leben, mit einem Seitenblick auf die herannahende Pension. Denn diese Variante der Existenz kann unglücklicher nicht sein.


Ein spiritueller Arbeitsplatz, der all die oben angeführten Merkmale aufweist, führt automatisch dazu, dass die Menschen sich an ihm wieder wohlfühlen. Ich habe immer gesagt, dass meine Vision von Schule oder auch jedem anderen Arbeitsplatz, darin besteht, dass man so manche erinnern muss, dass es an der Zeit ist, nach Hause zu gehen, weil sie sich so wohl fühlen.


Ich glaube nicht, dass dies unmöglich ist, bzw. dass diese Bedingungen auch bereits jetzt an den meisten Arbeitsplätzen möglich sind. Denn wie du bereits gemerkt hast, sind die wesentlichen Zutaten einer spirituellen Arbeitswelt nicht mit materiellem Aufwand verbunden, sondern nur mit Bewusstsein.



Liebe statt Angst



Auf einen Aspekt möchte ich noch zu sprechen kommen, da er so wesentlich ist, während er so vielen Menschen so abwegig erscheint.


Ich spreche von Liebe. Das geht soweit, dass der Hauptgrund, warum mich mein Chef loswerden will, vor allem jener ist, dass ich zu liebevoll zu den Schülern bin.


Doch meine Situation ist nur stellvertretend für uns alle. Du musst nicht gleich soweit gehen - wie ich - und Jesus als Verstärkung an Bord holen.


Es reicht schon, wenn du verstehst, dass letztendlich die einzige Wahrheit, die wir erleben können, die Liebe ist.


Sieh dich nur um in der sogenannten Welt der Wirtschaft und Eitelkeiten. Nichts davon ist wirklich echt. Nichts davon kann uns nachhaltig glücklich machen. Und nichts davon ist am Ende unseres Lebens von Bedeutung.


Du kannst es so machen, dass du mit dem, was du als "Liebe" bezeichnest, vorsichtig, geizig und sparsam umgehst, weil du den Mangel der Angst zur Triebfeder deines Handelns machst, oder du beginnst jene Fülle zu leben, die die Liebe einfach ausmacht.


Und dann ist es nur logisch, dass du sie gerade in deinem Job jeden Moment versuchst zu leben. Indem du liebst, was du tust. Indem du tust, was du liebst. Und indem du dich an die (Arbeits)Welt verschenkst, mit all der Liebe, die durch dich fließen möchte.


In Liebe,

Dein Wolfgang


PS: Wie immer freue ich mich darüber, von dir zu hören. Du kannst mir gerne schreiben, unter wolfgang.neigenfind@visionbord.com um mir deine Meinung mitzuteilen, mich etwas zu fragen, oder was auch immer dein Anliegen ist. Wenn du mehr Unterstützung brauchst, dein Leben in ein spirituelles umzuwandeln, kannst du dich auch gerne melden für ein unverbindliches Gespräch.


PPS: Als John Lennon "Working Class Hero" 1970 aufnahm, hatte er sicherlich eine andere Vorstellung von dem, was 55 Jahre später unsere Arbeitsrealität sein sollte. Doch nachdem wir ja auch noch darauf warten, dass Buddhas oder Jesus Vision umgesetzt werden, wird wohl auch Lennon noch ein wenig warten müssen.