
Wenn du in deinen Umständen nach deinem Glück suchst, kannst du auch gleich nach einer Person suchen, die dafür sorgt, dass es dir gut geht.
Wir beide wissen genau, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Darum möchte ich dir heute ein wenig von der Evolution deiner Beziehungsfähigkeit berichten. Selbst wenn wir sie nicht so steuern können, wie uns das lieb wäre.
Gehst du eine romantische Zweierbeziehung ein, kannst du ja vielleicht noch der Vorstellung nachhängen, dass du die Wahl hast. Sobald du dann die richtige Person an deiner Seite weißt, wird alles gut.
Im Alltag, z.B. im Beruf, wird das schon schwieriger. Du kannst natürlich immer wieder den Job wechseln, sobald für dich eine gewisse Arschlochquote an Kollegen überschritten wird.
Doch wenn du dann zu deiner Familie zurückkehrst, hast du bereits ein Problem. Denn während du deinen Partner noch verlassen kannst, tun sich die meisten mit ihren Kindern, oder Eltern doch ein wenig schwerer.
Worauf ich eigentlich hinaus will, ist der Umstand, dass die Annahme, andere für unser Glück oder unsere Liebe verantwortlich zu machen, nicht wirklich zu Ende gedacht ist.
Hier ein Vorschlag zur Güte: Wie wäre es damit, dass wir uns einfach auf dich konzentrieren? Denn das erscheint mir das einzig Sinnvolle.
Die erste Entwicklungsstufe in unseren Beziehungen ist die Identifikation. Immerhin verhilft sie uns bereits im Kleinkindalter zu einer ersten Identität.
Doch spätestens im Minenfeld menschlicher Kommunikation und Beziehungen wird sie schneller zum Bumerang als uns lieb ist.
Verliebte, die ihr Wohlbefinden von der angebeteten Person abhängig machen, Eltern, die sich in ihrer Rolle verlieren, oder Machtkämpfe, aufgrund irgendwelcher Positionen in einer Firma spiegeln alle dasselbe Phänomen wider.
Sobald wir uns an ein Bild, eine Rolle oder Überzeugung klammern, passieren gleich mehrere Dinge, die nicht unbedingt unseren Beziehungen dienlich sind.
Erstens lassen wir uns von unserer Angst entführen, die sich als Mangel äußert, nicht zu genügen, sich unter- oder überlegen zu fühlen, dem Bedürfnis nach Kontrolle, oder dem Wunsch, auf andere loszugehen, damit es uns kurzzeitig besser geht.
Zweitens können wir die Realität nicht mehr adäquat bewältigen, weil wir mit der Gegenwart auf Kriegsfuß sind, weil wir immer wieder in die Vergangenheit oder Zukunft fliehen, wo die Angst zu Hause ist.
Ich gebe dir ein Beispiel: Nehmen wir an, du bist Mutter und Partnerin und versuchst, beide Rollen unter einen Hut zu bringen, indem du dich an Bilder klammerst, die unmöglich aufrechtzuerhalten sind. Warte, ich habe vergessen zu erwähnen, dass du auch noch Angestellte bist, die gewissenhaft ihrem Job nachkommen will.
Da ist erstens die liebevolle und attraktive Partnerin, die genügend Zeit für ihren Partner hat, und die dementsprechend freudvoll in diese Beziehung geht.
Dann gibt es auch noch die fürsorgliche Mutter, die sich um alle Belange ihrer Kinder in gleichem Maße kümmert, die für ihre Gesundheit, ihr Wohl, ihr Essen und ihre Ausbildung zuständig ist. Außerdem bietet sie ihnen alles, was sie brauchen und wollen, und verbringt auf jeden Fall viel und schöne Quality Time mit ihnen.
Und dann haben wir noch die Angestellte, die all ihren Pflichten pünktlich und zur Zufriedenheit aller nachkommt, die Ambitionen hat, die von ihren Kollegen und Vorgesetzten für ihre Arbeit geschätzt werden möchte, und die auch genügend zum Familieneinkommen beiträgt.
Genug gelesen? Also, wer diese Fusion unbeschadet übersteht, muss wahrscheinlich erst geboren werden, um es unschuldig auszudrücken.
Wie du siehst, sind es alle Identifikationen, die uns in Teufels Küche bringen und uns vor allem das bescheren, was wir nicht wollen: Leid.
Du kennst sicher das berühmte Faltspiel, wo du mit deinem Finger über eine Kante gleitest, damit dir dein Gegenüber dann enthüllt, ob du im Himmel oder in der Hölle landest.
Ähnlich verhält es sich für die meisten von uns, wenn unser Bewusstsein beginnt, zu erwachen. Wir tauchen in die glückselige Tiefe unseres Seins ein, um kurz darauf wieder an der Oberfläche unseres Egos aufzutauchen.
Viele haben irgendwann sogar das Gefühl, dass alles gut wäre, wenn sie ihre Umwelt einfach in Ruhe lassen würde. Dabei ist es die Stimme in ihrem Kopf, die für den Lärm sorgt, den sie nicht los werden.
Natürlich sind es die Begegnungen mit unseren Mitmenschen, die uns auf die Probe stellen, vor allem im Kreis deiner Familie. Nur bedeutet das nicht, das die anderen verantwortlich sind, wie es uns mit ihnen geht.
Denn in Partnerbeziehungen und Eltern-Kind-Beziehungen wimmelt es nur so von Projektionen und Identifikationen, bzw. Erwartungen und Glaubenssätzen, die aufeinander prallen.
Und so, haben wir unsere Momente, die uns mit Stolz erfüllen, und kurze Zeit später werfen wir wieder die Nerven weg, als wüssten wir es nicht besser.
Doch sieh es mal so: Wenn du Muskeln aufbauen willst, ist dir klar, dass du dich dem Widerstand und dem Schmerz stellen musst, den dieser Prozess zur Folge hat.
Erst wenn wir unseren Muskeln Leid zufügen, sind sie bereit zu wachsen. Dasselbe gilt für deine Beziehungsfähigkeit.
Und so wie du regelmäßig und immer wieder trainieren musst, geht es dir auch mit der Fähigkeit, bei dir zu bleiben. Je häufiger und gezielter du deine Präsenz trainierst, desto besser wirst du in der Möglichkeit, in der Tiefe deiner Seele zu bleiben, die in der Fülle ist und geduldig mit allem klar kommt.
Wenn du dich mittels Achtsamkeit, Selbstbeobachtung und Meditation immer wieder darin übst, im Jetzt zu bleiben, wirst du bald bemerken, dass deine sogenannten Trigger zunehmend verschwinden; sogar im Umgang mit Menschen, die dich provozieren wollen.
Schon sind wir bei der letzten Stufe deiner Evolution angelangt. Nach einer gewissen Zeit, wirst du beginnen, deine Fähigkeiten zu verfeinern, sodass du immer seltener in Situationen gerätst, die dich herausfordern.
Und selbst wenn du schwierige Umstände erlebst, wirst du schnell auf deine Präsenz zurückgreifen können, die selbst mit deinem Ego Mitgefühl hat, um dich sanft zurückzuholen.
Irgendwann wird dein Leben zu einem Parkett, das dich einlädt, auf ihm zu tanzen. Denn deine Seele strahlt nicht nur vor Freude und Humor, sie macht dein Leben magisch.
Besonders, wenn du die Gelegenheit hast, mit deinem Partner diese Ebene gemeinsam zu erleben, könnt ihr euch immer wieder inspirieren oder beflügeln, bzw. zum Tanz auffordern.
Doch selbst wenn deine Umgebung noch mit ihren Identifikationen kämpft, wie es z.B. bei deinen Kindern oft nicht anders möglich ist, kannst du diejenige sein, die spielerisch und liebevoll bei sich bleibt.
Es wird kein Dank kommen, keine Anerkennung oder Wertschätzung. Doch, wie du bereits ahnst, wartet ohnehin nur dein Ego auf all diese Dinge, um dich erst recht wieder ins Leid zu führen.
Du, andererseits, kannst diese Dankbarkeit, Anerkennung und Wertschätzung im Überfluss genießen, da sie aus der Fülle deines Herzens kommt. Und dort gibt es genug für alle.
Je öfters du deine Mitseelen zum Tanzen einlädst, desto häufiger werden sie auch darauf anspringen. Auf diese Weise wirst du für deine Umwelt zum Vorbild, das zeigt, dass Beziehungen vor allem die Möglichkeit sind, uns daran zu erinnern, welches Wunder wir alle doch sind.
Ich wünsche dir viel Erfolg beim Erklimmen der Evolutionsstufen deiner Beziehungsfähigkeit. Bleib einfach an dir dran, vergleiche dich nicht, und vor allem reicht es, wenn du dich um deinen Weg kümmerst.
Wenn du Unterstützung dabei brauchst, melde dich gerne für ein unverbindliches Gespräch bei mir, unter wolfgang.neigenfind@visionbord.com.
In Liebe,
dein Wolfgang
PS: Auch wenn Brandon Boyd, Sänger von Incubus, über den 2006 entstandenen Song "Dig" meint, dass alle zu viel in ihn hineininterpretieren, so ist die Resonanz ja kein Zufall. Schon das Wort "dig" hat so viele Bedeutungen, wie: "graben", aber auch "stupsen, verstehen", oder "mögen". Der Song spiegelt einfach wunderbar dieses Auf und Ab wieder, dass wir in Beziehungen erleben, und wie wir einander gegenseitig liebevoll unterstützen können, die beste Version von uns zu leben; wie im Chorus, wo es heißt:
If I turn into another
Dig me up from under what is covering
The better part of me