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Wenn wir uns auf den spirituellen Pfad begeben, tun wir das, um unser Seelenheil zu finden, nicht das Gegenteil.


Umso verstörender ist es dann für uns, wenn wir uns auf einmal in einer Situation befinden, die uns ratlos macht, obwohl wir doch alles richtig gemacht haben.


Heute möchte ich mit dir über jenen Zustand sprechen, der uns alle früher oder später einholt, und den der spanische Mystiker Juan de la Cruz im 16. Jahrhundert als die dunkle Nacht der Seele bezeichnet hat.



Der Irrgarten



Novizen auf der Reise nach innen sind oft Geisterfahrer wider Willen. Aufgrund ihres noch kaum erwachten Bewusstseins haben sie die Tendenz, alles was ihnen widerfährt, wiederum von außen - aus der Sicht ihres Egos - zu betrachten, als wären sie nie aufgebrochen.


Eigentlich geht es allen gleich, wenn sie den spirituellen Weg einschlagen. Sie wollen alle ihren persönlichen Frieden finden. Jetzt gibt es aber folgende Szenarien:


Im ersten Fall fühlen wir uns tatsächlich besser und sehen diesen Erfolg als direktes Resultat spiritueller Praktiken, wie z.B. der Meditation.


Im zweiten Fall tritt nicht der gewünschte Erfolg ein, und wir tendieren dazu unser Vermögen oder die Praktiken, die wir angewandt haben, zu verurteilen.


Doch selbst jene, deren Mission zunächst positiv verlaufen ist, werden irgendwann Rückschläge erleben, mit denen sie nicht gerechnet haben.


Sie werden zum Beispiel schwer krank, obwohl sie doch täglich meditiert haben, sich bewusst ernährt haben, sich fit gehalten haben und liebevolle und integre Menschen geworden sind.


Besonders berührend ist zum Beispiel der Fall von Mirabai Starr, selbst Mystikerin und Autorin, die genau an dem Tag, als ihr erstes Buch "Caravan Of No Despair" erschien, ihre 18-jährige Tochter bei einem Autounfall verlor.


Somit führt uns das Leben immer wieder vor Augen, dass wir in der Angst Zuflucht suchen, unabhängig davon wie es verläuft, weil wir nach Belohnung suchen, nach dem guten Ende. Erst wenn die Dinge völlig aus dem Ruder laufen, bemerken wir, dass wir diese Lüge nicht mehr ertragen.



Der Bruch



Zwingt uns das Schicksal in die Knie, ist dies die Stunde der Wahrheit für uns. Denn alle Erklärungsversuche, die wir aus unserer Kultur kennen, alles was die Gesellschaft uns vorkaut, und unser eigenes Empfinden von Recht und Unrecht, zerbersten in tausend kleine Stücke, sobald die Wucht des Faktischen auf uns herabsaust.


Wenn du so in die Enge getrieben wirst, hast du nur mehr zwei Möglichkeiten. Du brichst völlig mit der Wahrheit, oder du schaffst den Durchbruch zu ihr.


Für jene, deren Zuversicht zerbricht, scheint es fast so, als wäre sie in der harten Realität erwacht, obwohl nichts weiter weg von der tatsächlichen Wahrheit sein könnte.


Denn sobald sie sich von der Liebe ihrer Seele abwenden, fallen sie in ein Loch aus Angst, Schuld und Drama, das bis auf weiteres kein Ende kennt.



Die Enttäuschung



Im Gegensatz dazu ist Erleuchtung die größte Enttäuschung für das Ego. Schon wenn wir das Wort "Enttäuschung" näher betrachten, sollte uns klar sein, das unsere dunkelste Stunde das Potential in sich trägt, uns aus der Täuschung aller Illusionen zu holen.


Somit wird der Tiefpunkt unseres Lebens zur Offenbarung, die uns klar macht, dass es keine Alternative zur Wahrheit der Liebe gibt.


Damit meine ich, dass jeder Rückweg in die Täuschung der Angst, in den Schein von allem, was im Außen auf uns wartet, zerbröckelt und sich schließlich in Luft auflöst.


Was bleibt, ist jenes wahllose Bewusstsein, dass uns vor Augen führt, dass alles, was uns widerfährt, sich jeder Bewertung entzieht, und sich uns am Ende trotzdem das Wort "wunderschön" aufdrängt , weil wir nicht anders können, als dem Staunen Stimme zu verleihen.


Bis wir zurückbleiben, trunken vor Liebe, die aus jeder Pore des Lebens strömt, ohne erklären zu können, warum wir vor Glück in die Knie gehen, selbst wenn wir den Schmerz nicht einfach abschütteln können.


Am Ende verstehen wir, dass die gesamte Schöpfung perfekt ist, und wir ein Teil von ihr.


In Liebe,

dein Wolfgang


PS: Wenn du mir zu diesem Beitrag etwas sagen möchtest, oder mit mir sprechen möchtest, dann melde dich einfach unter wolfgang.neigenfind@visionbord.com. Ich freue mich darauf, von dir zu hören.


PPS: Die kanadische Komponistin und Sängerin Loreena McKennitt vertonte 1994 das Gedicht von San Juan de la Cruz auf eine Weise, die dem Gedicht mehr als gerecht wird. Verfasst wurde es im 16. Jahrhundert als Juan aufgrund seiner Gesinnung im Kerker saß. Selbst wenn sich der Text für dich nicht erschließt, kannst du das Lied auf dich wirken lassen...