
"Nur Mütter..." - Sobald ein Satz mit diesen zwei Worten beginnt, kannst du dir sicher sein, dass das was danach folgt Bullshit ist. Verzeih meine direkte Sprache, aber es ist einfach so. Denn abgesehen von biologischen Notwendigkeiten hinsichtlich Schwangerschaft und Geburt, bzw. Stillen, gibt es absolut keinen Unterschied zwischen der Rolle von Vätern und Müttern. Warum das so ist, werde ich dir heute darlegen, und ich werde dir auch die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse mitliefern, die diesen Standpunkt unterstützen.
Und auch wenn der erste Absatz so klingt, als würde ich die Rolle der Mütter abwerten wollen, ist dem absolut nicht so. Im Gegenteil. Ich bin davon überzeugt, dass der Mütter-Mythos Frauen noch viel mehr schadet als Männern. Somit sollten Frauen noch mehr Interesse daran haben, die Mythen um die Mutterrolle endlich zu beenden als Männer. Warum werde ich später noch erläutern. Doch zunächst möchte ich einmal die wichtigsten Klischees aufzählen:
"Mutter zu sein, ist das natürlichste der Welt!"
"Mütter haben eine innigere und bessere Verbindung zu ihren Kindern!"
"Mütter wissen besser Bescheid, bzw. wissen immer was zu tun ist!"
Ich könnte hier noch mehr oder ähnliche Sätze aufzählen. Sie laufen aber alle auf die oben genannten Standpunkte hinaus. Und bevor ich dir erläutere, warum diese Vorstellungen so schädlich für alle Familienmitglieder, und vor allem die Mutter selbst sind, möchte ich noch kurz darauf eingehen, warum sich diese Bilder so hartnäckig bis heute gehalten haben.
Das ist ein wahrer Klassiker in der Wissenschaftstheorie und Philosophie. Der naturalistische Fehlschluss läuft darauf hinaus, dass Menschen die Tendenz haben, Dinge, die sich etabliert haben, als gegeben hinzunehmen und nicht mehr zu hinterfragen. Ganz so, als wären sie ein Naturgesetz. Das ist sehr bequem und sichert vor allem eines: Den Stillstand in der Komfortzone; selbst wenn diese gar nicht so bequem ist. Anders formuliert, könnte man sagen, dass etwas, nur weil es so ist, nicht unbedingt so sein muss bzw. soll, auch wenn das viele Menschen glauben. Stell dir vor, die Menschheit hätte immer nach dieser Devise gehandelt. Dann würdest du jetzt sicher nicht diese Zeilen lesen können.
Das soll nicht heißen, dass sich nichts verändert hat. Aber manchmal hat man schon das Gefühl, dass sobald ein Baby zur Welt kommt, die gesamte Familie in eine Zeitkapsel gesteckt wird, und in irgendein fernes Jahrhundert zurückgeschickt wird, dass es so ohnehin nie gegeben hat, nur um an alten Rollenbildern festzuhalten.
Den zweiten Grund für die überhöhte Mutterrolle, kann man den Frauen wirklich nicht vorwerfen, und zwar die Kompetenz als Mutter. Du weißt sicher was ich meine. Viele Frauen bilden sich bereits präpränatal und scheinen sich bereits Jahre vor einer möglichen Schwangerschaft auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Sobald dann der Gynäkologe den Startschuss mittels der Bestätigung der Empfängnis gibt, geht es erst richtig los. Und die damit losgetretene Lawine ist nicht mehr zu bremsen. Angefangen von Büchern, Blogs, Kursen und Foren wird jede Möglichkeit genutzt Information aufzusaugen.
Wenn so manche Schüler und Studenten nur halb so viel Ehrgeiz und Wissbegierde wie (werdende) Mütter zeigen würden, dann würden wir sicher nicht über eine Bildungskrise diskutieren. Was ich damit sagen will, ist die Tatsache, dass sehr viele Mütter bereit sind, sich wirklich Kompetenz anzueignen, und das nicht nur theoretisch. Dass das natürlich auch eine Kehrseite hat, ist offensichtlich. Und dass es auch immer mehr Väter gibt, die genau so viel Eifer zeigen, ist auch nicht zu vergessen.
Trotzdem bleibt unterm Strich der Eindruck, dass Mütter ihre Rolle einfach ernster nehmen und auch dementsprechend bereit sind, dies mit ihren Handlungen und ihrem Einsatz zu unterstreichen. Kein Wunder, dass dann schnell eine schiefe Ebene entsteht, die Vätern das Gefühl vermittelt, sie hätten keine Ahnung. Aber diesen Umstand als männliche Ausrede zu benutzen, um sich aus der Verantwortung zu stehlen, ist natürlich nicht hilfreich. Was uns gleich zum nächsten Grund für den Mütter-Mythos bringt.
Wenn es nämlich heutzutage noch Männer gibt, die mit dem Argument daherkommen: "Ich weiß nicht Schatz, du kennst dich da viel besser aus!", dann ist klar, dass dieser Vater nur so tut, als wäre er zu dumm oder zu schwach. Was er nämlich tatsächlich tut, ist, seine Partnerin zu manipulieren, oder sich selbst etwas vorzumachen, oder beides. Denn wenn ein Mann sich blöd stellt, um die Mutter-Kompetenz seiner Partnerin zu unterstreichen, betreibt er de facto eine konservativere Politik als das ein Donald Trump je schaffen könnte.
Interessanterweise wirken Pärchen in Österreich und Deutschland in ihrem Zusammenleben sehr emanzipiert, aufgeklärt und gleichberechtigt. Dies ändert sich aber radikal, sobald das erste Kind da ist. Dann sind es vor allem die Frauen, die überproportional oft die sind, die zu Hause bleiben, um sich um die Kinder zu kümmern und den Haushalt zu managen. Als fadenscheinige Begründung muss oft das bessere Einkommen des Mannes herhalten, oder eben die einzigartige Bindung zwischen Müttern und ihren Kindern, die von Männern nie zu ersetzen wäre.
Zusätzlich gibt es natürlich noch zahlreiche Strategien und Maßnahmen der männlichen dominierten Wirtschaft und Politik, Frauen klein zu halten, um sie auszuschließen. Da ist die schlechtere Bezahlung noch das geringste Übel. Viel gravierender ist die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und das in Abrede stellen weiblicher Kompetenz. Gibt es noch einen schlechteren Scherz? Dieselben Männer, die ihren Frauen in Sachen Familie absolute Führungskraft und Qualifikation ausstellen, sind es auch, die dann eben argumentieren, dass alle anderen Bereiche eben Sache der Männer seien. Natürlich wissen sie, dass das Schwachsinn ist, aber solange die die meisten bei diesem Theater mitmachen, wird es einfach durchgezogen. Und um die männliche Position zu festigen, werden natürlich alle Bereiche, in denen Frauen dominieren "dürfen", belächelt und als in jeder Hinsicht minderwertig erachtet.
Dass diese Argumentation für Väter und Mütter bzw. die gesamte Gesellschaft nicht nur bedenklich sondern auch wissenschaftlich nicht haltbar ist, werde ich dir anhand der neuesten Forschungsergebnisse erläutern.
Du hast vielleicht schon von Oxytocin gehört, jenem Hormon, dass nicht nur rund um die Geburt wichtige Prozesse steuert, wie zum Beispiel das Einsetzen der Wehen, sondern auch die Bindung zwischen Menschen erhöht, indem es wohlige Gefühle auslöst im Zusammenhang mit Körperkontakt. Deswegen wird Oxytocin oft auch als "Kuschelhormon" bezeichnet.
Nun gab es eine Studie mit 80 Müttern, deren Oxytocin Level bei der Schwangerschaft und Geburt untersucht wurden. Wie erwartet stiegen die Werte bei Schwangerschaft und Geburt an, blieben dann gleich hoch, und wurden dann noch erhöht, je mehr körperlichen Kontakt Mütter zu ihren Babys und Kindern hatten.
Dieselbe Studie wurde auch mit 80 Vätern durchgeführt, die natürlich nicht schwanger waren bzw. die Geburt nur als Beobachter erleben konnten. Das Überraschende an der Studie war, dass die Väter nach die Geburt, dieselben Oxytocin Level hatten, wie die Mütter. Auch ihre Werte blieben unverändert hoch bzw. erhöhten sich genauso wie bei den Müttern mit jedem körperlichen Kontakt zu den Kindern. Damit konnte man zum ersten Mal wissenschaftlich belegen, dass die mütterliche und väterliche Bindung identisch sind.
Doch es gibt noch mehr: Zusätzlich fand man nämlich heraus, dass das Oxytocin auch die Amygdala aktiviert, was dazu führt, dass Mütter sich um ihr Kind sorgen. Bei Pärchen zeigten im Vergleich Väter nur ein Viertel der Amygdalaaktivität. Als man aber 48 homosexuelle, männliche Pärchen - also wo es nur Väter gab - untersuchte, die unmittelbar nach der Geburt Kontakt zu ihren Kindern hatten, gab es wieder eine Überraschung. Diese Väter zeigten dieselben Amygdala Werte wie die Mütter.
Damit konnte einwandfrei nachgewiesen werden, dass Bindung nicht biologisch bedingt ist, und auch nicht geschlechtsspezifisch. Die wichtigste Erkenntnis lautet für uns:
Somit gibt es weder Ausreden noch Fakten oder Begründungen für einen Unterschied in der Rolle von Müttern und Vätern. Wenn es Unterschiede gibt, dann aufgrund von Entscheidungen, die die Beteiligten getroffen haben, aber weder aufgrund einer "magischen" Bindung zwischen Mutter und Kind, noch eines genetischen Defizits von Vätern.
Mutter zu sein ist außerdem alles andere als einfach bzw. natürlich. Du musst dich nur umsehen, wie verunsichert viele Mütter sind, und es wird schnell klar, dass viele Mütter vor allem deswegen versuchen, sich möglichst viel Wissen anzueignen, weil sie verunsichert sind, und keine Ahnung hatten, was auf sie zukommen würde.
Wie du siehst, schaden all die gewachsenen Mythen allen Beteiligten: Den Kindern, den Vätern, aber vor allem auch den Müttern. Weil sie nicht nur gesellschaftlich an den Rand gedrängt werden, nicht ernst genommen werden, sondern auch noch in Stich gelassen werden.
Deswegen ist es höchste Zeit, dass Frauen und Männer mit einer ganz anderen und bewussten Einstellung an die Gründung einer Familie herangehen. Einige Pärchen sind da schon sehr weit, doch sowohl von seiten der Gesellschaft als auch der Politik erhalten sie dabei so gut wie keine Unterstützung. Für mich ist es eine Tatsache, dass Elternschaft eine wichtige aber auch wirklich schwierige Aufgabe darstellt, die keine Frau, kein Mann alleine bewältigen sollen müsste.
Wenn wir es endlich schaffen, dass Väter und Mütter sich gegenseitig gleichberechtig unterstützen wollen und können, und gemeinsam ihre Verantwortung, aber auch ihre Interessen wahrnehmen, dann kann Familie und Elternschafft endlich die Bedeutung erhalten, die sie verdient haben. Und auf diese Weise kann auch der Grundstein für nachhaltige Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gelegt werden. Denn sobald die Bedeutung und Komplexität bzw. der Wert von Elternschaft und Familie von Vätern und Müttern gelebt wird, auf eine Weise, die grundsätzlich keinerlei Unterschiede in den Rollenbildern mehr macht, erst dann entsteht der Druck, den es braucht, dass der Rest der Gesellschaft gar nicht anders kann, als mitzuziehen.
Falls du gerade Elternteil bist, wünsche ich dir, dass dich diese Zeilen inspirieren, deine Rolle zu hinterfragen und neu zu leben, oder dich auf deinem Weg bestärken. Solltest du keine Kinder haben, kannst aber auch du aktiv mithelfen, deinen Beitrag zu einem neuen Familienbild zu leisten, indem du einfach von den Studien hier berichtest, oder die Werte lebst, die helfen, die Basis unserer Gesellschaft - also Familien - zu stärken.
Als zusätzliche Inspiration empfehle ich allen Vätern meinen Artikel "Warum es nichts Männlicheres gibt, als Vater zu sein". Wie immer freue ich mich über deine Meinung, deine Erlebnisse, oder auch Fragen. Schreib mir einfach auch wolfgang.neigenfind@visionbord.com.
In Liebe,
Wolfgang