Es war in meiner Kindheit, als ich zum ersten Mal von Kismet hörte. Der Glaube an ein Schicksal ließ mich nicht mehr los. Ich dachte darüber nach, welchen Sinn mein Leben noch haben würde, wenn ohnehin alles vorbestimmt wäre.
Damals war mir noch nicht bewusst, dass alle großen spirituellen Traditionen und Religionen sich mit dieser Frage auseinandergesetzt haben. Mit teils sehr unterschiedlichen Interpretationen.
Ich kenne viele Menschen, die es irritiert, wenn sie keine Klarheit erhalten. Ich freue mich mittlerweile darüber. Denn dieser Umstand eröffnet Möglichkeiten. Und eine davon, möchte ich dir im heutigen Blogbeitrag näherbringen.
Mein 8jähriges Ich ging noch selbstbewusst davon aus, dass ich nur alt genug sein müsste, um völlige Kontrolle über mein Leben zu erlangen. Wenige Jahre später stellte ich mit Entsetzen fest, dass genau das Gegenteil der Fall war. Heute dagegen erlebe ich diesen Umstand als Zustand entspannter Freiheit.
Mir ist durchaus klar, dass der überwiegende Teil meiner lieben Mitmenschen immer noch krampfhaft versucht, gegen den Lauf der Dinge anzukämpfen. Dabei fällt auf, dass gerade jene Personen sich am vehementesten gegen ihre Kontrolllosigkeit wehren, die sie am intensivsten erleben.
Und das ist nicht erst seit der Pandemie so. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Elternschaft. Sobald du Kinder in die Welt setzt, schwindet dein Kontrollradius um fast 100%. Trotzdem tun gerade Eltern so, als müssten sie nur das geheime Patentrezept knacken, und schon hätten sie wieder das Kommando.
So manche Familien bemerken erst nach etlichen Jahren, dass ihre Vorstellung von der Normalität fast schon pathologisch weltfremd sind. Geradezu putzig muten dann jene Familienväter an, die in ihren Männerrunden mit der Aussage durchkommen, dass alle brav auf ihr Kommando hören. Oder sie feiern das Patriachat des stillen Widerstandes, indem sie die völlige Entscheidungsgewalt in ihrer Familie an ihre Frau abgegeben haben, und sich auf diese Weise vormachen können, wie clever sie nicht sind.
Doch selbst wenn du keine Kinder hast, wirst du bereits in deinem Leben die Erfahrung gemacht haben, dass der Glaube, dein Leben kontrollieren zu können, nur eine Illusion aus Kindertagen war.
Ich gehe davon aus, dass dir klar ist, dass die nächste Katastrophe ohnehin bereits um die Ecke auf dich lauert. Die Frage, die du dir dabei stellen kannst, lautet: "Will ich dabei auch mitspielen?"
Irgendwann in deinem Leben wirst du ja dermaßen erschüttert, dass nichts mehr so ist, wie es war. Du hast einen Unfall, deine Ehe zerbricht, du verlierst deinen Job, ein Bein, oder sonst jemand, der Teil deines Lebens war.
Diese fundamentale Erschütterung deines Selbstverständnisses von der Welt wird in spirituellen Kreisen als Erwachen bezeichnet, weil sie für dich die Chance bietet, dein ganzes Leben zu überdenken und auch nachhaltig zu verändern.
Falls du dieses Erlebnis bereits hattest, weißt du genau, wovon ich spreche. Falls nicht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es dir noch bevor steht.
Warum erdbebenhafte Krisen für dich so hilfreich sind? Weil sie dir in aller Radikalität vor Augen führen, dass du erstens absolut keine Kontrolle hast, und dass du es zweitens überlebst.
Und das meist sogar sehr gut. Denn nach der berühmten Opferphase, in der du dich in deinem Weltschmerz suhlst, stellst du fest, dass du eine zweite Chance erhalten hast, sozusagen eine Wiedergeburt. Du kannst alles anders machen. Hast aber den Vorteil bereits viel erfahrener zu sein als mit 20, als du wusstest, dass dir die Welt offen steht, du aber keine Ahnung hattest, was du damit anfangen sollst.
Das Wichtigste an deinem Erwachen ist jedenfalls die Erkenntnis, dass du gar keine andere Wahl hast, als den Lauf der Dinge hinzunehmen, wenn du positiv weitermachen willst.
Ein besonders beeindruckendes Beispiel dafür lieferte Michael Singer ab, als er in sein Unternehmen kam, und FBI Hubschrauber über dem Firmengebäude kreisten. Kurze Zeit später erfuhr er, dass ein Mitarbeiter, den er bereits seit einiger Zeit der Unterschlagung verdächtigt hatte, sich dem FBI als Kronzeuge zur Verfügung gestellt hatte, um gegen den Vorstand und vor allem gegen Michael Singer auszusagen. Ihm drohten mehrerer Jahre Haft, obwohl er nicht einmal wusste, was ihm vorgeworfen wurde.
Genau in jener schwierigen Zeit bis zu seinem - gar nicht so selbstverständlichen - Freispruch schrieb Singer das Buch "Das Experiment Hingabe", in dem er beschreibt, dass er sich einfach dem Universum hingab, in dem Vertrauen, dass alles genau so geschehen würde, wie es für ihn am besten wäre.
Hat Michael Singer nichts unternommen, und einfach abgewartet? Nein, natürlich nicht. Er hat Anwälte eingeschaltet, und alles getan, um seine Unschuld zu beweisen. Gleichzeitig hat er innerlich Frieden geschlossen, mit dem was passieren würde, unabhängig vom Ausgang.
Das scheinbare Paradoxon von Akzeptanz und Aktion, also Hinnehmen und Handeln, beschäftigt ja viele Menschen. Sie fragen, wie viel muss ich mir gefallen lassen, und wie sehr soll ich Maßnahmen ergreifen und aktiv werden?
Dabei ist dieser Widerspruch in Wirklichkeit keiner. Kommen wir zurück zum Beispiel der Elternschaft. Zu wissen, dass du keine Kontrolle über die Mitglieder deiner Familie hast, bedeutet nicht, dass du passiv resignierst. Es bedeutet nur, dass du deine Erwartungen an die anderen los lässt, und gleichzeitig aber alles tust, was du in Absprache mit ihnen für sinnvoll erachtest. Das bedeutet, ihr werdet euch ständig verändern und immer wieder neue Rollen für euch definieren. Gleichzeitig nutzt du all den positiven Gestaltungsspielraum, der dir zur Verfügung steht.
Wenn jetzt in deinem Leben etwas passiert, das sich wie ein Schicksalsschlag anfühlt, ähnlich dem, was Michael Singer passierte, ist es für dich erst einmal von Bedeutung, anzuerkennen, was passiert ist, wo du stehst, und welche Handlungsmöglichkeiten du überhaupt hast.
Gleichzeitig lege ich dir ans Herz, dasselbe Vertrauen ins Universum an den Tag zu legen, dass auch Michael Singers Leben für immer verändert hat. Immerhin könnte es ja sein, dass alles, was passiert, genau das Richtige für dich ist.
Vielleicht bist sogar du selbst für dein Schicksal verantwortlich.
Ja, du hast richtig gehört. Könnte es nicht sein, dass du dir deinen Weg bereits vor deiner Geburt ausgesucht hast? Ist es nicht vorstellbar, dass deine Seele mehr Verständnis dafür in sich trägt, was du brauchst?
Wenn du gut aufgepasst hast, könntest du jetzt aber einwenden, dass diese gewagte These, uns aber wiederum jegliche Freiheit zu handeln, abspricht.
Das muss nicht sein. Gehst du von Zeit als linearem Phänomen mit einer klaren Struktur von Vergangenheit, über Gegenwart, bis Zukunft, aus, dann hättest du keine Möglichkeit, dein Schicksal zu beeinflussen.
Was, wenn aber die Zeit nur für dich in deinem Kopf so abläuft, damit du dich in der Welt zurechtfindest, aber die Sache eigentlich ganz anders funktioniert? Es gab ja auch ein Alter, in dem du allen Ernstes geglaubt hast, dass deine Eltern nicht mehr existieren, sobald sie aus deinem Blickwelt verschwanden, oder du dachtest, dass niemand dich sehen kann, wenn du mit den Händen deine Augen bedecktest.
Psychologen wie Donald Hoffmann gehen davon aus, dass unsere Wirklichkeit nur für uns so aussieht, damit wir uns in ihr zurechtfinden, aber dass Phänomene wie Raum und Zeit eigentlich ganz anders funktionieren.
Hier der dazu passende TED Talk:
Um jetzt auf deinen Seelenplan zurückzukommen, bedeutet dies für mich, dass du sehr wohl einen vorgegebenen Plan hast, UND gleichzeitig immer die freie Entscheidung zur Verfügung hast, zu handeln. Und egal, wie diese aussehen wird, wird es die richtige für dich sein.
Gehen wir jetzt davon aus, dass du am besten damit fährst, dein Leben in jedem Moment als perfekt für dich anzunehmen und gleichzeitig alles tust, um die Reise lebenswert zu gestalten, dann hebt sich die alte Geschichte der Kausalität von Ursache und Wirkung auf.
Vielmehr können wir von einer universellen Synchronizität sprechen. Also deine Hingabe, deine Akzeptanz bildet jederzeit eine Synchronizität mit deinen Handlungen.
Bist du im Widerstand gegen die Ereignisse, werden all deine Handlungen diesen Widerstand bewirken. Lebst du aber im Vertrauen auf deinen Seelenplan, und fügst dich deinem Seelenplan, dann werden all deine Aktionen befreiend wirken.
Wann weißt du nun eigentlich, ob du dich hingibst oder nicht?
Wann immer du dich überlegen oder unterlegen fühlst, wann immer du auf deinen Vorteil bedacht bist, du andere benutzt, dann bist du im Widerstand.
Wann immer du im Moment bei dir bist, auf dein Herz hörst, oder dich völlig verschenkst, folgst du deiner Seele.
Dieses Abwägen, deine innere Balance brauchen Training. Das Spiel von Hingabe und Handlung erinnert mich stark an das Surfen. Du kannst der Welle nicht deinen Willen aufzwingen, kannst aber nur auf ihr gleiten, wenn du bereit bist, mit ihr zu schwimmen, im richtigen Moment aufzuspringen, und dich mutig dem Spiel der Brandung hinzugeben, im Bewusstsein, jederzeit zu fallen.
Das bedeutet für dich, dass du lernen kannst, deine Reise zu genießen, unabhängig davon, was sie dir zu bieten hat. Wirst du dann von einer Tsunamiwelle weggespült, kannst du trainieren, in deiner Reaktion bei dir zu bleiben, auf dein Herz zu hören. Vielleicht möchte es dir etwas mitteilen. Vielleicht gibt es etwas Wichtiges zu lernen.
Und dann putzt du dich ab, stehst auf, und gehst gestärkt wieder ans Werk. In der Gewissheit, dass alles gut wird!
Ich hoffe, du konntest bei diesem komplexen Thema etwas für dich mitnehmen. Wie auch immer meine Worte auf dich wirken, bin ich mir sicher, dass es das Richtige ist. Und wie immer, freue ich mich über Reaktionen von dir unter wolfgang.neigenfind@visionbord.com oder in im Kommentar unterhalb. Du kannst dich auch jederzeit bei mir melden, damit wir gemeinsam Licht in deine komplexe Situation bringen.
Alles Liebe,
dein Wolfgang
PS: Der Brite Fink beschreibt in seinem Song "Yesterday Was Hard On All Of Us" aus dem Jahr 2011 genau die Weggabelung, die Entscheidung zu treffen, wie du nach deinem Erwachen weitermachen wirst.