Angst ist in aller Munde. Egal ob Kriege oder Katastrophen, oder vielleicht die nächste Krankheit. Die Nachrichten freuen sich auf alles, was viele Tote bringt und unsere Angst so richtig befeuert. Dabei hat der Tod - meiner Meinung nach - nur deswegen einen so schlechten Stand bei uns, weil unser kollektives Ego alles daran setzt, ihn zum Tabu zu erklären, oder ihn zu verdrängen. Das Ergebnis ist für niemanden angenehm und führt eigentlich nur dazu, dass alle noch früher das erleben, was sie so fürchten.
Dabei tun wir alle gut daran, uns mit unserem oder dem Ableben geliebter Menschen anzufreunden. Und auch wenn Trauer eine große Bedeutung zukommt, heißt das nicht, dass sie auch von Verzweiflung oder Depression begleitet sein muss. Deswegen werde ich dir heute eine Perspektive mitgeben, die versucht das Tabu Nr.1 liebevoll und voll Optimismus anzugehen. Mal sehen, ob mir das gelingt.
Es gibt, genau genommen, zwei unvermeidliche Ereignisse in unserem irdischen Dasein, unsere Geburt und unseren Tod. Die Geburt feiern wir ja auch dementsprechend. Nur mit dem Tod haben wir zumindest im westlichen Kulturkreis ein großes Problem. Der Jugendkult der letzten Jahrzehnte hat dieses Verdrängen sogar noch verstärkt. Alle wollen jung bleiben, und alle Bildern von älteren Mitbürgern werden in der öffentlichen Wahrnehmung, vor allem in der Werbung und ihn den Medien, ausgeklammert; und das obwohl in Ländern wie Deutschland oder Österreich die Bevölkerung zunehmend älter wird.
Da passt der Tod natürlich nicht wirklich ins Bild. Wir tun lieber so, als wäre das Sterben ein Problem, das wir nur in den Griff kriegen müssten, und wir erst darüber reden, wenn es so weit ist. Aus dieser Sicht ist es auch nicht verwunderlich, dass Pandemien oder unheilbare Krankheiten alle verunsichern. Noch dazu, wo die Medizin oft so tut, als wäre jeder Tote eine Niederlage für ihre Zunft.
Das Resultat ist eine allgemeine Hysterie rund ums Sterben, vor allem wenn es ums eigene Ableben geht. Dass die ganze Zeit Menschen sterben, vor allem auch, weil sie verhungern, oder einen anderen Mangel erleiden, kümmert uns erst, wenn wir auch betroffen sind. Ja, die Wahrheit ist, dass wir alle ziemlich egozentrisch und primitiv im Umgang mit unserer eigenen Sterblichkeit sind.
Das sollte uns zu denken geben. Denn mit dem Sterben ein Problem zu haben, zeigt dir eigentlich, dass du mit deinem Leben nicht im Reinen bist. Dabei gibt es viele gute Gründe, warum du dich mit dem Sterben anfreunden solltest:
Dass Abwehrmechanismen wie Verdrängung oder Verleugnung nicht unbedingt zu unserer seelischen Gesundheit beitragen, wissen wir alle. Trotzdem tun alle so, als wäre die Tabuisierung des Todes wünschenswert. Wenn wir beginnen, schon Kindern den Tod als normalen Bestandteil unserer Existenz näherzubringen, dann greift die sogenannte Habitualisierung. So wie Ärzte, Pflegepersonal, Polizisten und Bestatter kein Problem mit dem Tod mehr haben, weil sie ihn als alltäglichen Bestandteil ihres Berufs gelernt haben zu sehen, so können auch wir den Tod als normalen Teil unseres Daseins integrieren, und das nicht nur in Form von übertriebenen Mordraten aus Filmen und Serien.
Unsere Angst vor dem Tod können wir schließlich nur auf eine gesunde Weise reduzieren, wenn wir uns dieser Angst stellen. Gerade wenn es um Krankheiten geht, hilft Aufklärung und Wissen. Nimmt man zum Beispiel Statistiken her, wirst du feststellen, dass die gefühlte Sicherheit mit der realen nicht viel gemeinsam hat. So ist tatsächlich die Wahrscheinlichkeit größer, im eigenen Schlafzimmer tödlich zu verunglücken, als bei einem Flugzeugabsturz. Wir alle wissen, dass jeden Tag viele Menschen aus den verschiedensten Gründen sterben. Selbst sich zu Hause einzusperren, kann dich nicht davor bewahren.
Wie du es auch drehst und wendest, du kannst erst dann bewusst leben, wenn du deine Sterblichkeit miteinbeziehst. Spätestens seit Bronnie Wares Buch "5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen ", ist klar, dass Menschen vor allem jene Dinge bereuen, die sie nicht getan haben, und deswegen auch nicht in Frieden gehen können. Wenn dir aber klar ist, wie wertvoll jeder Tag deines Lebens ist, weil du dir auch immer deiner Sterblichkeit bewusst bist, dann bist du bereit, dein Leben so bewusst zu leben, dass du jeden Tag nutzt, dich zu entwickeln.
Wenn dir das gelingt, dann wirst du auch unweigerlich ein Vermächtnis hinterlassen, etwas das dich ausmacht, und wofür die Menschen, die an dich denken, wenn du gestorben bist, dich immer in Erinnerung haben werden. Ich habe einmal gelesen, dass wir erst dann für die Welt tot sind, wenn irgendwo ein Mensch zum letzten Mal an dich denkt oder dich erwähnt.
Wie du siehst, haben die Menschen über den Tod hinaus eine Beziehung zu dir. Gerade Personen, die dir nahe gestanden haben, können dich immer begleiten, indem du darüber nachdenkst, was sie in gewissen Situationen gesagt oder getan hätten. Vielleicht kannst du ja ihre Präsenz spüren, oder sie begleiten dich auf spiritueller Ebene. Zu wissen, dass wir in Verbindung mit verstorbenen Mitmenschen stehen, ist für mich jedenfalls ein schöner Gedanke und nichts weswegen wir uns fürchten müssen.
Selbst unsere Trauer ist ja im Grunde genommen nur ein Glaube, an dem wir festhalten, obwohl wir wissen, dass es dabei nur um uns geht. Natürlich wollen wir nicht, dass eine geliebte Person von uns geht. Und gerade wenn man mit diesem Menschen ein Leben verbracht hat, ist die Abwesenheit dieser Person nicht so einfach zu bewerkstelligen. Aber andererseits ist der Tod für die Verstorbenen oft auch eine Befreiung von einem Dasein voller Schmerzen, oder anderer Beeinträchtigungen, die ihr Leben zunehmend erschwert hat.
Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber ich bin mittlerweile aus vielen Gründen davon überzeugt, dass unser Bewusstsein unsterblich ist. Das hat auch damit zu tun, dass dieses Bewusstsein, unabhängig von unserem Körper, Geist, Ich, Raum oder Zeit existiert. Das was uns wirklich ausmacht, ist nicht begrenzt und es bildet auch die Verbindung zur gesamten Schöpfung. Im Grunde genommen wissen wir alle, dass wir eins sind. Dazu brauchst du nicht religiös oder spirituell sein. Selbst in der Wissenschaft, wie zum Beispiel in der Quantenphysik, weisen die meisten Untersuchungsergebnisse auf ein ursächliches Bewusstsein hin, das unsere gesamte Existenz begründet, und das gleichzeitig nicht an die Gesetze von Zeit oder Raum gebunden ist.
Somit stellt der Tod einfach einen Übergang dar in eine andere Form der Existenz. Und das Beste an dieser Nachricht, ist der Umstand, dass du eigentlich ja gar nicht sterben kannst, bzw. dass dein Tod nicht das Ende deines Bewusstseins darstellt, weil dieses ja gar keinen Anfang und kein Ende hat, und somit immer da ist. Dies ist für mich auch der Hauptgrund, warum wir beruhigt los lassen können, selbst von unserer körperlichen Existenz. Und am besten du beginnst schon jetzt damit. Währenddessen tun wir gut daran, unsere Beziehung zum Tod neu zu definieren. Deshalb gebe ich dir noch zwei alternative Wege mit, den Tod positiver zu sehen, die es schon lange gibt.
Der erste Zugang stammt von den Tolteken, einem Volk aus Mexiko zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert. Dieses Volk war davon überzeugt, dass unser Dasein auf der Welt für viele von uns wie eine Krankheit ist, weil wir Menschen die Tendenz haben, unser Leben ins Negative zu ziehen. Für die Tolteken und andere Kulturen Mexikos war bereits klar, dass unsere Existenz ein langes Kontinuum ist, und dass der Tod nur eine Station des Weges ist. Deswegen empfanden sie Trauer sogar als respektlos. Um dies zu unterstreichen, wurde der Tag der Toten ins Leben gerufen. Es ist ein Fest, das die Wiedervereinigung der Lebenden und der Toten zelebriert, und dass uns nicht nur an unsere Verbindung mit den Toten erinnern soll, sondern auch an unsere ewige Existenz.
Eine zweite alternative Form der Beziehung zum Tod stellt natürlich die Lehre von Jesus dar. Er hat immer wieder versucht, den Menschen klarzumachen, dass unsere Existenz nicht mit dem Tod endet. Und irgendwie ist die Botschaft schon angekommen, aber - sagen wir mal - auf sehr verzerrte Art und Weise. Vor allem was die Kirchen dann aus seinem Vermächtnis gemacht haben, hat oft mehr mit Schuld zu tun, als mit Befreiung. Wirft man aber den klerikalen Ballast ab, dann bleibt doch die frohe Botschaft über, dass wir nie sterben, und der Tod eigentlich nur der Beginn ist, für eine neue Etappe der Reise.
Als am Karfreitag 2015 mein Vater unerwartet starb, wurde ich selbst sehr unmittelbar mit dem Tod konfrontiert. Natürlich habe ich Tränen des Verlustes geweint. Doch so wie das Weinen etwas sehr Schönes für mich ist, war auch die Art und Weise wie wir uns alle von meinem Vater verabschiedet haben, ein sehr positives Erlebnis für mich. Und auch wenn Trauerfeiern in unseren Breitengraden leider sehr düster ablaufen, sind es für mich immer die schönen Erinnerungen, die zählen. Denn wir haben uns alle nach der Bestattung zusammengefunden, Geschichten über meinen Vater ausgetauscht, gelacht und und gefreut, dass er Teil unseres Lebens war und ist. Deswegen hier noch mein Appell: Wenn du das liest, dann überdenke dein eigenes Verhältnis zum Tod. Gibt es nicht mehr Gründe, das Sterben als positiven Teil unseres Lebens in unsere Existenz zu integrieren, als es zu tabuisieren? Macht nicht der Tod das Leben lebenswerter? Haben wir nicht mehr Grund uns zu freuen, als uns zu fürchten? Könnten wir uns nicht viel an Leid und Hysterie im Zusammenhang mit irgendwelchen Viren ersparen, wenn wir endlich anfangen, das Leben in seiner Gesamtheit anzunehmen, von der Geburt bis zum Tod? Ich hoffe, ich konnte dir ein paar Anregungen mitgeben, und wünsche dir, dass du deinen persönlichen Zugang zum Tod findest. Ich würde mich auch freuen, deine Ansichten zum Thema zu hören. Schreib mir einfach auf wolfgang.neigenfind@visionbord.com oder hinterlasse unterhalb einen Kommentar. Alles Liebe, Dein Wolfgang
??? PS: Als Sarah Connor und Gregor Meyle 2014 bei der Show "Sing meinen Song" mitmachten, war das nicht nur der Durchbruch für Meyle und die Entdeckung der deutschen Sprache für Connor. Es gab etwas noch Bemerkenswertes. Beide sangen in Folge Lieder des jeweils anderen in einer Art und Weise die ergreifender war, als das Original. So ist Sarah Connors Song "Das Leben ist schön" eine wunderbare Art über das Sterben nachzudenken. Aber erst die Version von Gregor Meyle ist für mich unvergesslich.